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Schnell reich werden
Die dunkle Seite des Wettbooms

Un homme donne son bulletin du Swiss Loto de la Loterie Romande pour etre valide par la kiosquiere Josephine, ce lundi 16 octobre 2023 a Cheseaux-sur-Lausanne pres de Lausanne. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
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Der Rekord-Jackpot im Schweizer Lotto lockte vor einer Woche etwa dreimal mehr Spielerinnen und Spieler an als üblich. Vor einem Monat haben schätzungsweise 68 Millionen Amerikaner an der Football Super Bowl etwa 23 Milliarden Dollar auf das Spiel gewettet – ein Plus von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Das Geschäft mit dem Glücksspiel wächst rasant. Der Bruttospielertrag, also die Differenz zwischen Spieleinsätzen und ausbezahlten Gewinnen der Schweizer Lotterien und Sportwetten, betrug 2022 rund 1,2 Milliarden Franken, 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Sportwetten legten um 23 Prozent zu.

Das legale Glücksspielgeschäft erwirtschaftete 2022 weltweit schätzungsweise 450 Milliarden Dollar. Rund 75 Milliarden brachte das Online-Glücksspiel. Gemäss Prognosen soll es in den nächsten Jahren weiter zweistellig wachsen. Am schnellsten in den USA: Dort hat das Oberste Gericht 2018 das bundesweite Verbot von Sportwetten aufgehoben.

Dank Smartphone-Apps können Wetten einfach und rund um die Uhr platziert werden. Die Digitalisierung ermöglicht die attraktive Verbindung von Wetten und Spielen, die jüngere Generationen ansprechen, vor allem Männer. Sportfans, die wetten, verfolgen den Sport intensiver und lassen sich als Konsumenten besser binden. Partnerschaften zwischen Wettanbietern und Sportorganisatoren nutzen dies aus und erzielen enorme Einnahmen.

Eine Verschwörung von Sport, Krypto und Glücksspiel

Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte aller Bitcoin-Transaktionen mit Glücksspiel zu tun haben. Kryptobörsen wurden in den letzten Jahren zu den grössten Sponsoren im professionellen Sport.

Sport, Glücksspiel und Krypto bilden eine lukrative Verbindung, denn sie sprechen die gleiche Kundengruppe an: männlich, jung, risikofreudig. Von Stars und Influencern massiv beworben, versprechen sie schnelle Gewinne, und dies in einer Welt, die den Jungen wenig Chancen zu bieten scheint und in der die Ungleichheit zunimmt.

In der Finanzkrise wurden sie hängen gelassen, während die Banker vom Staat gerettet wurden. Der verbreitete Eindruck, dass man mit harter Arbeit nicht auf einen grünen Zweig kommt und dass die Wallstreet-Banker und die Regierung das Wirtschaftssystem zu ihren Gunsten manipulieren, lässt Glücksspiele und Krypto attraktiv erscheinen. Es ist kein Zufall, dass Bitcoin auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gestartet wurde.

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Warum sollte man keine grösseren Risiken eingehen, wenn man wenig zu verlieren hat und die Möglichkeit besteht, sein Leben grundlegend zu verändern? Dass die Babyboomer-Generation, die in Wirtschaft und Politik das Sagen hat, die neue Technologie ablehnt, ist da ein Pluspunkt.

Der Boom von Glücksspiel und Krypto ist ein Zeichen für schwindendes Vertrauen in die Zukunft. «Die Verschiebung hin zu einer pessimistischeren Zukunftswahrnehmung macht sich bereits seit mehreren Jahren bemerkbar», stellt das Jugendbarometer der Credit Suisse fest, eine repräsentative Umfrage unter 16- bis 25-Jährigen. In der Schweiz und in den USA gab es seit Befragungsbeginn noch nie so wenige junge Menschen, die bezüglich ihrer eigenen Zukunft zuversichtlich waren.

Am meisten Sorgen machen sich die Jungen um die Altersvorsorge, weit mehr als um das Klima. Nur drei von zehn jungen Schweizerinnen und Schweizern sind zuversichtlich, dass sie im Alter komfortabel werden leben können. Nur 40 Prozent denken, dass sie dereinst auf eine staatliche Rente oder Pensionskasse zählen können, wenn sie in Rente gehen. Dass die Jungen die AHV-Initiative am letzten Sonntag deutlich abgelehnt hatten, überrascht da nicht.

Glücksspielanbieter profitieren von wirtschaftlicher Unsicherheit

Wirtschaftliche Unsicherheit ist kein Problem für die Glücksspielindustrie. Denn dann wird mehr gespielt, wie Untersuchungen in China, Italien, Island und den USA zeigten. Forscher haben festgestellt, dass Nigeria seit dem Sturz in die Rezession im Jahr 2016 von Schneeballsystemen überschwemmt wird.

Sieben von zehn Wirtschaftsstudenten an einer Universität nahmen an Schneeballsystemen teil, obwohl die meisten wussten, dass es sich um einen Betrug handelte. Aber sie rechneten sich eine kleine Chance aus, rechtzeitig mit Gewinn abspringen zu können und so ihr Leben zu verändern. Warum nicht, wenn die beste denkbare Alternative in einer korrupten Gesellschaft darin besteht, einer von unzähligen Taxifahrern zu werden? 

Schneeballsysteme seien eine «Bewältigungsstrategie für die wirtschaftliche Rezession», stellen die Forscher fest: «Nullsummen-Wettspiele wuchern, weil die Nigerianer immer verzweifelter werden.» Es ist kein Zufall, dass Nigeria das Land mit dem grössten Anteil an Krypto-Besitzern ist.

Wenn junge Menschen in Scharen Nullsummenwetten abschliessen, weil sie darin die einzige Möglichkeit sehen, ihr Leben zu verbessern, ist das kein gutes Zeichen. Es ist das Symptom eines Vertrauensverlustes.

Englands Premier League will keine Wettanbieter mehr auf den Fussballtrikots

Das Wachstum des Glücksspielmarktes bringt stark steigende Steuereinnahmen. Aber auch hohe Kosten. Der leichte Zugang lässt die Zahl der Spielsüchtigen hochschnellen. Betroffen sind vor allem junge Männer.

In der Schweiz sind die durchschnittlichen Verluste der Spielenden bei Sportwetten viel höher als bei anderen Glücksspielen. Der Anteil Personen mit Verlusten über 2000 Franken pro Monat ist seit der Zulassung von Online-Sportwetten stark angestiegen, wie die Interkantonale Geldspielaufsicht (Gespa) feststellt. Gemäss Schuldenberatung Schweiz ist die durchschnittliche Schuldenhöhe von Spielsüchtigen mit fast 90’000 Franken besonders hoch.

In Grossbritannien, einem Land mit einer blühenden Glücksspielindustrie, hat die Regierung umfangreiche Beschränkungen für Onlineplattformen angekündigt, um das problematische Glücksspiel einzudämmen. Schon die Ankündigung des Plans hatte Folgen: Die Premier League, die oberste Fussball-Spielklasse in England, will ab der Saison 2025/26 keine Wettsponsoren mehr auf der Brust von Fussballern zulassen.