Krätze-Ausbrüche in WinterthurWie sich eine Kita gegen die Krätze wappnete – und verlor
Via Eltern erfuhr eine Kita-Leiterin aus Winterthur, dass ein Befall mit Krätzmilben droht. Auch an der Kinder-Permanence beobachtet man einen Anstieg der Fälle.
Die Krätze verbreitet sich wieder in der Schweiz. Besonders dort, wo sich die Menschen nahe sind. Der kantonsärztliche Dienst bestätigt Ausbrüche in fünf Zürcher Kitas, geht aber von zahlreichen weiteren Fällen aus. Nora Hagener (Name geändert) leitet eine von mindestens zwei betroffenen Kitas in Winterthur: «Ich bin froh, dass das Thema endlich auf dem Tisch ist», sagt sie. In den rund drei Wochen seit dem Ausbruch habe sie sich mit kaum etwas anderem beschäftigt. Betroffen seien sechs Kinder und eine Mitarbeiterin.
Bei der Krätze, auch Skabies genannt, fressen sich Kratzmilben in die obersten Hautschichten, wo ihr Kot für einen starken Juckreiz und Ausschlag sorgt. Die Krankheit ist nicht wirklich gefährlich, aber extrem lästig. Das zeigt die mehrmonatige Leidensgeschichte einer betroffenen Familie aus Winterthur. Die Eltern schicken ihre Kinder inzwischen nicht mehr in die Kita, um keine erneute Ansteckung zu riskieren. Auch Hagener erzählt von einzelnen Eltern, die ihre Kinder vorübergehend aus der Kita nehmen. Die meisten seien aber zufrieden, wie sie mit dem Ausbruch umgehe und kommuniziere.
Durch Eltern informiert
Von der Kommunikation der Stadt Winterthur ist Hagener enttäuscht: «Wir hätten einen Infobrief erwartet», sagt sie. Ganz überraschend kam der Ausbruch für die Kita-Leiterin dann doch nicht: «Wir hörten von mehreren Eltern, dass eine zweite Kita in Winterthur seit langem und viel stärker betroffen ist.» Prophylaktisch habe man Textilien, Teppiche und Plüschtiere entfernt und intensiv beobachtet, ob sich die Kinder kratzten.
Verhindern konnte das den Ausbruch aber nicht. Erschwerend kam laut Hagener hinzu, dass viele Ärzte die Symptome nicht erkannt hätten: «Wir hatten Kinder, die vier Mal beim Arzt waren, bis die Krätze festgestellt wurde.» Nicht alle Mediziner nähmen das Thema ernst: «Manche machten den Eltern ein schlechtes Gewissen, weil sie ‹wegen drei Pickeln› zum Arzt gingen», sagt Hagener. In solchen Fällen habe man die Eltern ermutigt, hartnäckig zu bleiben und die Kinder zum Dermatologen zu schicken. Sie ist froh, dass es nun ein neues Therapie-Regime für die Ärzte und ein Merkblatt gibt.
«Hundert Fälle letztes Jahr»
«Für uns Kinderärzte ist die Diagnose kein Problem», sagt Faton Kryeziu, Co-Leiter der Kinder-Permanence in Winterthur. Typisch sei ein Kontakt zwischen den Erkrankten, starkes Kratzen, besonders in der Nacht unter der warmen Bettdecke, sowie der charakteristische Hautausschlag. «Wir haben schon viele Fälle von Krätze gesehen.» Weil die Milben gegen die bisher gängige Creme vermehrt Resistenzen bildeten, empfiehlt der kantonsärztliche Dienst neu eine Kombination mit Tabletten. Wichtig sei, dass die Therapie nach sieben bis zehn Tagen wiederholt werde.
Kryeziu berichtet von deutlich mehr Fällen seit letztem Jahr, besonders in den Kitas: «Es gibt schubweise Ausbrüche in verschiedenen Kitas, wobei eine kleine Zahl der Kitas mehrfach betroffen war», sagt er. Der Arzt schätzt, dass es letztes Jahr «vielleicht hundert Fälle» gab. Genaue Fallzahlen kann er, wie andere angefragte Institutionen, keine nennen. Weil es keine Meldepflicht gibt, fehlen verlässliche Daten.
Stadträtin nennt keine Zahlen
Die Winterthurer Schulstadträtin Martina Blum (Grüne) bestätigt auf Anfrage «vereinzelte Fälle im Kindergarten». Wie viele Kitas und Kindergärten konkret betroffen sind, sagt Blum jedoch nicht. Ihre Begründung: «Auch wenn wir von einzelnen Fällen Kenntnis haben, sind die Zahlen nicht repräsentativ.» Gleichzeitig kommt Blum zur Einschätzung: «Die Lage in Winterthur scheint vergleichbar mit anderen Städten zu sein.» Für die betroffenen Institutionen bedeute ein Ausbruch aufwendige Schutzmassnahmen. So müsse die Reinigung intensiviert werden, und es könne zu Ausfällen beim Personal kommen.
Der kantonsärztliche Dienst beobachtet seit Frühling 2023 eine Zunahme der Fälle. Seit Anfang Jahr seien rund 50 Fälle gemeldet worden. Ausbrüche gebe es auch in anderen Regionen im Kanton. Betroffen seien vor allem Kitas: Skabies-Fälle in Schulen, Heimen und Asylheimen würden nur vereinzelt gemeldet, wenn diese Institutionen zusätzliche Informationen oder Unterstützung benötigten. Der Ursprung der Ausbrüche sei nicht bekannt. Eine Meldepflicht könnte zwar die «Lage-Übersicht» verbessern, aber an den Ausbrüchen nicht viel ändern: «Das Hauptproblem ist, dass Skabies eine hartnäckige und schwer zu beseitigende Erkrankung ist.»
Krätze an den Schulen
Auch in den Zürcher Schulen gibt es Krätzefälle - etwa in Dübendorf. Dort waren in den letzten Wochen gemäss einem Bericht von «Züriost» gleich mehrere Primarschulhäuser betroffen.
Beim kantonalen Volksschulamt sind wegen der fehlenden Meldepflicht keine verlässlichen Zahlen erhältlich, welche einen Überblick über die Verbreitung der Krankheit in den Schulen geben. Beim schulärztlichen Dienst des Kantons Zürich sind seit Anfang Jahr Anfragen aus drei Gemeinden dazu eingegangen. Doch das muss nichts heissen. Denn jede Schule hat ihren eigenen Schularzt oder ihre eigene Schulärztin. Meist sind sie die erste Anlaufstelle für Lehrpersonen oder Schulleitungen.
Auch beim Schulärztlichen Dienst der Stadt Zürich wurde seit Jahresbeginn nur ein Krätzefall gemeldet, wie Andrea-Seraina Bauschatz, Leiterin des Dienstes, sagt. Laut Bauschatz sind allgemeine Anfragen zur Krätze von Lehrpersonen und Schulleiterinnen im Vergleich zum Vorjahr rückläufig: «Im letzten Herbst mussten wir dazu häufiger Auskunft erteilen.»
Regel in Zürich: 24 Stunden zu Hause
An den Schulen in der Stadt Zürich gilt die Regel, dass ein Kind mit Krätze nach einer Behandlung noch 24 Stunden zu Hause bleiben muss, wenn es weiter Symptome hat, muss es auch nach der zweiten Behandlung noch 24 Stunden zu Hause bleiben.
An wie vielen Schulen es derzeit Kinder mit Krätze gibt, kann aber auch Bauschatz nicht sagen. Dass die Anfragen zur Krätze zurückgehen in diesem Jahr, muss nicht zwingend auf einen Rückgang der Krankheit hindeuten. Bauschatz nennt dazu folgende mögliche Gründe: Die Behandlung von betroffenen Personen wurde intensiviert und die Ärztinnen und Ärzte vom Kantonsärztlichen Dienst wurden besser auf die Krätze sensibilisiert. Es sei möglich, dass auch die Lehrpersonen inzwischen besser informiert seien und sich gar nicht mehr beim Schulärztlichen Dienst meldeten, wenn ein Kind von den Krätzmilben befallen sei.
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