Kolumne «Heute vor»Als ein gefrässiger Riesenaal den Zürichsee heimsuchte
Im Herbst 1983 war in den Gewässern der Region so einiges los. Einem Stäfner Fischer gelang der Fang seines Lebens, während die Sihl plötzlich eine Bohrinsel hatte.
Der Stäfner Sportfischer Karl Albrecht traute vor vierzig Jahren seinen Augen kaum, als er seinen Fang an der Wasseroberfläche erblickte. Mit seiner Setzangelschnur und einem Regenwurm als Köder hatte er einen «Riesenaal» von 124 Zentimetern Länge angelockt.
Etwa gleichermassen stolz wie angestrengt präsentiert er den über vier Kilo schweren Brocken auf einem Bild der rechtsufrigen «Zürichsee-Zeitung» des Jahres 1983. Mit Sonnenbrille und breitbeinigem Stand stemmt er das schlangenartige Tier empor. Was den Autor des Artikels jedoch deutlich mehr beschäftigte, als der tatsächliche Fang des schwarzen Fischs, war dessen Herkunft.
Der Aal müsse im deutschen Rhein «aus kulinarischen Überlegungen» ausgesetzt worden und bis in den Zürichsee migriert sein, wundert sich der Schreibende. Denn die 14 Jahre zuvor im Zürichsee eingesetzten Aale seien «vermutlich schon alle gefangen oder abgewandert».
Es musste sich also um einen Fremdling handeln, der seiner Statur nach nicht gerade Diät gehalten hatte in seiner neuen Wahlheimat. So äussert sich im Artikel auch ein Fischerei- und Jagdverwalter, welcher von einer Gefahr für die heimischen Forellen spricht. Diesen konnte der gefrässige Riesenaal dank Karl Albrecht aber künftig nichts mehr anhaben.
Weniger gute Nachrichten gab es derweil am anderen Seeufer. «Ach du Heiliger Bimbam!», wird ein schockierter Arbeiter im «Anzeiger des Bezirks Horgen» darum zitiert, dessen Auto bis unters Dach im Wasser der Sihl steckte. Heute sei so ein Tag, wo er besser im Bett geblieben wäre.
Denn vor vierzig Jahren waren gerade Sondierbohrungen im Gange, welche als Vorarbeit für die SZU-Verlängerung unterhalb der Sihl von Horgen bis zum Bahnhof Selnau dienten. Der unglückliche Bohrmeister hatte seinen mobilen Bohrturm deshalb frühmorgens in der Mitte der Sihl installiert.
Bis zum Mittag bohrte er den auf der Ladefläche seines Transporters befestigten Bohrkopf rund 14 Meter in die Tiefe. Das Auto unter ihm stand damals, wie er «brummend» berichtet, nur mit den Rädern im Wasser. Dann schloss er seinen Wagen ab und verabschiedete sich in die Mittagspause.
Während der Arbeiter seinen Hunger stillte, verwandelte sich die Sihl jedoch in ein regelrechtes Wildwasser. So war der fahrbare Bohrturm über Mittag kurzerhand zu einer kleinen Bohrinsel mutiert. Dem frustrierten Mann blieb nur noch zu hoffen, dass der Bohrer in 14 Metern Tiefe sein Auto so lange halten wird, bis der reissende Strom der Sihl abflaute.
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