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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Die Polarisierung beginnt im eigenen Freundeskreis

Hat nichts dagegen, einen Rechten zu einer Party einzuladen: Claudia Schumacher.
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«Nein, das geht nicht, der ist zu rechts!», ruft eine meiner Freundinnen, als wir uns gemeinsam über ihre Einladungsliste beugen. Sie veranstaltet ein kleines Wohnzimmerkonzert mit einer Singer-Songwriterin aus der Stadt, die sie toll findet. Dazu lädt sie ihr Umfeld ein. Gerade hat sie mir von einem ihrer langjährigen Freunde erzählt, den sie für seine Treuherzigkeit und die tiefen Gespräche schätzt, die sie mit ihm führt. «Eigentlich ist er einer meiner liebsten», sagt sie — aber als ich sie frage, ob sie ihn vielleicht auch zu ihrem Konzertabend einlädt, lehnt sie vehement ab.

Danach werfen wir uns irritierte Blicke zu. Sie wirkt, als wolle sie mir auf die Schulter klopfen und mit einem nervösen Lächeln sagen, «der ist nicht so wie wir zwei». Nicht so «richtig», würde das bedeuten. Sie scheint aber nicht nur auf Selbstvergewisserung aus, sondern auch auf Absolution. Als schäme sie sich, «so einen» gern zu haben. Als müsste ich ihr das verzeihen. Ist es wirklich so weit gekommen?

«Raus!» schreien ist langweilig

Unsere Kultur wird von den homogenisierenden Algorithmen der sozialen Medien geprägt, in der Leute damit angeben, wen sie heute wieder alles blockiert haben. Öffentlichen Personen kann es zum Verhängnis werden, wenn sie mit den angeblich «falschen» Leuten an einer Podiumsdiskussion teilnehmen — als läge der Austausch von Gegenstandpunkten nicht in der Natur der Sache. Wir bilden meinungskonforme Blasen und werden schlechter darin, uns mit anderen Meinungen zu befassen, ohne «Raus!» zu schreien und auf die Tür zu zeigen. So wird es nicht nur privat kopfnickerisch und langweilig. So werden wir als Menschheit auch keine der globalen Krisen meistern, in denen wir stecken.

Zu den Helden unserer Zeit gehören Paare, die sich über politische Differenzen hinweg lieben und achten oder Nichten, die den Mut haben, ihre Tante analog auf einen rassistischen Kommentar hinzuweisen, anstatt sich darin zu gefallen, politische Kacheln auf Instagram zu teilen, wo es eh nur Gleichgesinnte sehen.

Ist ein Rechter an einer Party zumutbar?

«Das ist doch total bescheuert», sage ich zu meiner Freundin: «Wenn du ihn so gern hast, dann lade ihn ein! Wen willst du denn vor wem beschützen?» Es sind doch alle erwachsen. Für ihren politisch rechts stehenden Freund wäre so ein Abend sicher am anstrengendsten, als einziger Andersdenkender in einer Blase von Linken und Liberalen. Weshalb er seine Ansichten wahrscheinlich eh verstecken wird. Und wenn nicht, könnten beide Seiten ihre Argumente prüfen und sich in zivilem Umgang üben — ein Win-win.

Grosse, freie Gemeinschaften werden nie in völliger Gleichförmigkeit existieren. Weshalb es bei der nächsten umstrittenen Initiative nicht nur darum geht, Ja oder Nein auf einen Zettel zu schreiben. Sondern auch darum, weiterhin mit Menschen Kaffee zu trinken, die das Gegenteil draufgeschrieben haben.