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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Die kategorische Verneinung der Frau

Einstudierte Performance? «Nein, nein, nein!», findet Claudia Schumacher.
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Der Chasselas ist fantastisch, ich blinzle in die untergehende Sonne, sehe die Reben: Alles könnte wunderbar sein bei dieser Weinverkostung am Genfersee. Müsste ich nicht dem anstrengenden Gekeife des älteren Winzerpaars lauschen.

Der Mann sitzt selbstgerecht am Tisch, raucht, trinkt. Seine Frau kümmert sich um alles. Sie schenkt uns Wein ein, erklärt seine Herstellung. Beziehungsweise: Sie versucht es. Denn ständig wird sie von den dröhnenden Wortmeldungen ihres Gatten unterbrochen. «Non!», beginnt er immer wieder. Man könnte meinen, seine Frau kenne sich nicht aus und er müsse hier etwas richtigstellen. Nur ist das nicht so. Seine Frau erklärt etwas, er brettert ungefragt rein mit seinem «Non» — und wiederholt dann das exakt Gleiche, das sie gerade schon gesagt hat. Ein Verhalten, mit dem er sich selbst viel Raum verschafft. Ein Verhalten, mit dem er seiner Frau alle Luft wegatmet, sie stumm schaltet und sogar vor anderen diskreditiert. Gestresst steht sie mit ihren Weinflaschen vor uns, ihren Gästen, und wartet, bis er fertig ist.

Kommt Ihnen seltsam vor? Mir leider nicht. Denn ich beobachte dieses Verhalten an älteren Paaren immer wieder. Womit ich nicht sagen möchte, dass alle Männer der Boomer-Generation so sind. Ich kenne viele höfliche, respektvolle und am Austausch interessierte ältere Herren, die ich sehr schätze.

Aber achten Sie mal darauf: Ich wette, auch Sie haben einen Onkel, einen Nachbarn, einen Vater, Schwiegervater oder Chef, der sich so verhält. Wie die wohl im Job waren? Damals, als vor allem Männer arbeiteten? Sassen die dann in Runden im Konferenzraum, und alle riefen «Nein, nein, nein!»?

Ich muss an Loriot und seine Karikaturen wichtigtuerischer Herren denken. Heute segeln diese grossen Männer nach ihrer bedeutsamen Karriere langsam Richtung Pensionierung, oder sie sind schon dort. Zu Hause leiden sie darunter, dass sie nichts mehr zu melden haben. Ihre private Lösung für das Problem scheint oft zu sein, alles kategorisch zu verneinen, was die Frau sagt. Die Rollen sind klar verteilt: Frau = dumm, unsicher, Mann = klug, sicher.

Männliche Sicherheit ist eine einstudierte Performance, genau wie ihr Pendant, die weibliche Unsicherheit. Dabei wird komplett an der Realität vorbeigelebt. Die Frage, wer klüger ist, wer de facto häufiger recht hat, spielt keine Rolle. Ich erlebe ältere Akademikerinnen dabei, wie sie im Habitus kleiner Mädchen ihren Mann fragen, wie das noch mal war, mit der Lage im Nahen Osten / mit Trump / der Stromrechnung. Als ob ihre Männer wirklich klüger wären. Als ob sie mehr wüssten. Die Frau kann zehnmal besser informiert sein als ihr Mann: Er erklärt ihr die Welt — und sie lässt ihn.

Ist es zu spät für eine kleine Revolte?