Neue Theorie zu Corona-HerkunftKönnte der Ursprung von Sars-CoV-2 in Südostasien liegen?
Erste Nachweise des neuen Coronavirus gab es Ende 2019 in der zentralchinesischen Metropole Wuhan. Doch der Ursprung ist noch immer unklar. Forschende bringen nun eine weit entfernte Region ins Spiel.
Bei der Suche nach dem Ursprung von Sars-CoV-2 bringt eine Gruppe von Forschenden die Region Südostasien ins Spiel. Wie ein Forschungsteam um Deborah Delaune vom Institut Pasteur in Frankreich im Fachmagazin «Nature Communications» schreibt, hatte es in zwei bereits 2010 von Fledermäusen in Kambodscha entnommenen Proben Viren identifiziert, die dem derzeit grassierenden Pandemievirus sehr ähnlich sind. Zumindest bei der Überwachung der zirkulierenden Coronaviren sollte die Region in Zukunft stärker berücksichtigt werden, sind die Forschenden überzeugt.
Woher der Auslöser der Corona-Pandemie ursprünglich stammt, ist bislang ungeklärt. Viele Experten gehen davon aus, dass Sars-CoV-2 von Wildtieren, vermutlich von Fledermäusen über einen noch unbekannten Zwischenwirt, auf den Menschen übergesprungen ist. Belege dafür gibt es aber nicht. Die ersten nachgewiesenen und offiziell bestätigten Infektionen mit Sars-CoV-2 beim Menschen gab es Ende 2019 in der zentralchinesischen Metropole Wuhan. Vermutlich kursierte der Erreger bereits einige Monate zuvor unter Menschen.
Südostasien ist ein Hotspot für neue Erreger
Als wahrscheinlichster Ursprungswirt gälten Fledermäuse aus der Gattung der Hufeisennasen (Rhinolophus), schreiben die Forschenden um Delaune in ihrer Studie. In Exemplaren, die aus China stammten, seien bereits zahlreiche unterschiedliche Coronaviren nachgewiesen worden. Die bisher engsten Verwandten von Sars-CoV-2 seien in Hufeisennasen aus der chinesischen Provinz Yunnan identifiziert worden.
Aber kommen nicht womöglich auch andere Regionen als Ursprung des Erregers infrage? Südostasien gelte als Hotspot für neue Erreger, die Region beherberge mehr als ein Viertel aller weltweit vorkommenden Fledermausarten und ein naher Verwandter von Sars-CoV-2 sei bereits in Thailand gefunden worden, erläutern die Wissenschaftler. Sie untersuchten nun insgesamt 430 archivierte Proben von Fledermäusen und Säugetieren aus Kambodscha auf Coronaviren.
In fünf Proben konnten sie ein Betacoronavirus nachweisen – die Gruppe, zu der auch Sars-CoV-2 gehört. Die Viren aus zwei dieser Proben gehörten gar zur gleichen Untergruppe wie Sars-CoV-2. Sie stammten beide von einer Hufeisennasenart (Rhinolophus shameli). Ein Vergleich mit dem Pandemievirus zeigte eine Übereinstimmung der Erbgutbausteine – der Nukleotide – von 92,6 Prozent. In zahlreichen Bereichen des Erbguts war die Nähe der Kambodscha-Proben zu Sars-CoV-2 grösser als bei allen anderen bisher identifizierten nahen Verwandten des Virus.
Unterschiede fanden die Forschenden vor allem in einer Region des Spike-Proteins – sie war bei den Fledermausviren so aufgebaut, dass eine Infektion menschlicher Zellen nicht möglich gewesen wäre. Die untersuchte Fledermausart kommt in China nicht vor. Doch das Verbreitungsgebiet anderer in Südostasien vorkommender Arten reicht bis in die chinesische Yunnan-Provinz, wo andere nahe Verwandte von Sars-CoV-2 gefunden wurden. Es komme häufig zum Austausch von Viren zwischen verschiedenen Fledermausarten, besonders wenn die Tiere dieselbe Höhle bewohnten. Verwandte von Sars-CoV-2 seien vermutlich geografisch weiter verbreitet als bisher angenommen, so die Studienautoren.
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