SVP-Kampagnenleiter im PorträtEr liebt die Gletscher – und bekämpft das Klimaschutzgesetz
Gegner sagen: Michael Graber engagiert sich nur für das Referendum, um seinen eigenen Wahlkampf zu befeuern. Alles nur Zufall, entgegnet der Walliser SVP-Mann.
Als Jugendlicher wurde Michael Graber Schweizer Meister im Bankdrücken. Nun soll der Walliser SVP-Nationalrat einen Kraftakt politischer Art vollbringen: Das Stimmvolk soll am 18. Juni das Klimaschutzgesetz ablehnen – wie zwei Jahre zuvor das CO₂-Gesetz. Damals leitete Parteikollege Christian Imark die Referendumskampagne, nun ist es Graber.
Das ist bemerkenswert. Der 41-jährige Rechtsanwalt und Notar aus Brig-Glis ist erst seit zwei Jahren im Nationalrat. 2021 rutschte er nach für Franz Ruppen, der in die Walliser Kantonsregierung gewählt worden war; zuvor hatte Graber im Walliser Kantonsparlament politisiert. Bei den nationalen Wahlen im Herbst muss Graber also seinen Sitz verteidigen. Dies sei der wahre Grund für sein Engagement, sagen politische Gegner. Als Kampagnenleiter erhalte er eine Gratisplattform.
Graber bestreitet das. Dass der Abstimmungs- und der Wahlkampf zeitlich so eng zusammenlägen, sei Zufall. Er habe für die SVP das Dossier schon in der nationalrätlichen Umweltkommission mitbetreut. Das Vertrauen von Marco Chiesa geniesst der Walliser jedenfalls: Graber sei ein Chrampfer, geradlinig und halte stets Wort, so der SVP-Chef. Seine Widersacher beschreiben ihn dagegen als politisches Leichtgewicht, das Mühe habe, in Debatten den richtigen Ton zu treffen.
Im Streit mit Bodenmann
Tatsache ist: Die neue Rolle beschert Graber viel Aufmerksamkeit. Bei einem Treffen Anfang Mai wirkt er freundlich und zurückhaltend. Doch Graber, den der «Blick» unlängst «Haudrauf» genannt hat, kann auch anders.
Als Ende 2022 bekannt wurde, dass der Kanton in einem historischen Gebäude in der Altstadt von Brig-Glis eine Asylunterkunft plant, empörte sich Graber, selbst Stadtrat von Brig-Glis: Flüchtlinge würden künftig dort «logieren», wo früher Hochzeitsapéros stattgefunden hätten – ein «Hohn» für die Bevölkerung, die sich keine Wohnung an dieser Lage leisten könne.
Graber bekämpft das «Stromfresser-Gesetz» mit umstrittenen Zahlen.
Es war der Beginn einer Kontroverse, die der «Walliser Bote» so zusammenfasste: «Viel Drama, wenig Niveau, kein Anstand.» Peter Bodenmann warf Graber Fremdenfeindlichkeit vor, worauf Graber rechtliche Schritte gegen den ehemaligen Präsidenten der SP Schweiz erwog. Ob er inzwischen Strafanzeige eingereicht hat, will er nicht sagen.
Dass Graber Konflikte nicht scheut, zeigt sich auch jetzt wieder. Erbittert hat er mit der Bundesverwaltung um Formulierungen des Referendumskomitees im Abstimmungsbüchlein des Bundes gestritten. Graber sei eben hartnäckig, heisst es in der SVP. Er selbst sagt: «Ich mache, was ich für richtig halte.»
Das war auch so, als er 2001 entschied, der SVP beizutreten – die Anschläge auf das World Trade Center hatten ihn politisiert. Sein Vater, ein Walliser CVP-Urgestein, drohte zuerst, ihn zu enterben. Doch Graber blieb bei seinem «Akt der Rebellion». Sein Vater und auch seine Mutter hätten ihn danach trotzdem immer unterstützt, betont er heute.
Eigenständigkeit bewies Graber schliesslich, als er 2021 anders als seine Partei das Covid-Zertifikat befürwortete. In der Klima- und Energiepolitik ist Graber indes ganz auf Parteilinie. Er bekämpft das «Stromfresser-Gesetz» nicht nur mit – umstrittenen – Zahlen. Er hält auch eine persönliche Botschaft bereit: Man kann den Niedergang der Gletscher, dieses sichtbare Signal des Klimawandels, beklagen und das Klimaschutzgesetz dennoch ablehnen.
Dem Turtmanngletscher nahe
Graber ist im Walliser Dorf Turtmann aufgewachsen, 2000 Meter weiter oben fliesst der gleichnamige Gletscher, der 2020 mit einem spektakulären Abbruch von sich reden machte. Graber hat in der Nähe eine kleine Hütte. Hier geht er gern wandern. Er sehe das Schmelzen der Gletscher mit eigenen Augen. «Das tut weh», sagt er, aber: «Das Gesetz ändert am Rückgang der Gletscher nichts.»
Dass ein solches Denken die – auch historische – Verantwortung der Schweiz für den globalen Klimaschutz ignoriert, stellt Graber in Abrede. Bevölkerung und Wirtschaft würden heute schon genug fürs Klima machen, es brauche keine weiteren Massnahmen des Staates. Ob das die Stimmberechtigten gleich sehen? Erste Umfragen deuten auf eine Niederlage am 18. Juni hin. Graber ficht das nicht an. Der ehemalige Kraftsportler mag die Filmfigur Rocky Balboa: «Rocky gibt nie auf.»
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