Analyse zum neuen CO₂-GesetzKlimaschutz schmerzfrei
Simonetta Sommaruga will Anreize schaffen statt bestrafen. Doch das neue CO₂-Gesetz produziert ebenfalls Verlierer. Und lagert einen guten Teil des Klimaschutzes ins Ausland aus.
Scheitern verboten! Der Bundesrat und insbesondere Umweltministerin Simonetta Sommaruga stehen unter Zugzwang, nachdem das Stimmvolk im Juni das CO2-Gesetz versenkt hat. Es braucht nun rasch eine Neuauflage, die zwei Ansprüchen genügt: Zum einen muss sie so austariert sein, dass sie eine Volksabstimmung überstehen und so 2025 das CO2-Übergangsgesetz ablösen kann, welches das Parlament im Eiltempo bereits verabschiedet hat. Zum anderen muss die neue Vorlage das Klimaziel 2030 sichern. Bis dann will die Schweiz ihre CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent senken; Stand 2019 waren es erst 14 Prozentpunkte.
Entsprechend vorsichtig geht der Bundesrat vor. Ob Fliegen, Autofahren oder Heizen: Er verzichtet auf neue Abgaben. Bestehende erhöht er nur, soweit es das geltende CO2-Gesetz zulässt. Klimaschutz schmerzfrei: Unter diesem Titel segelt also die Vorlage, die der Bundesrat am Freitag in die Vernehmlassung geschickt hat.
Gleichzeitig rührt die Regierung kräftig mit der Geldkelle an. Allein für die Gebäudesanierungen und den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen will sie zwischen 2025 und 2030 gegen 3 Milliarden Franken ausgeben. Die Bevölkerung solle nicht das Gefühl haben, dass sie mit der Klimapolitik bestraft werde, sagte Sommaruga.
Weniger Geld für die Rückverteilung
Nur, irgendjemand muss die Rechnung bezahlen. Nun ist klar, wer sie zumindest mitberappt: Es sind jene Menschen, die bereits klimafreundlich wohnen. Heute erhalten sie mehr Geld aus der CO2-Abgabe auf Öl und Gas zurück, als sie fürs Heizen ausgeben. Aktuell fliessen zwei Drittel an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurück; der Rest geht ins Gebäudeprogramm. Jetzt aber teilt der Bundesrat den Topf in fast zwei gleich grosse Hälften. Damit steht für die Rückverteilung an die Bevölkerung und die Wirtschaft weniger Geld zur Verfügung – und umso mehr für das Gebäudeprogramm, das Hauseigentümer etwa bei der Anschaffung von fossilfreien Heizungen unterstützt.
Die Bestrafung erfolgt also auf verschlungenem Weg, was politisch durchaus Angriffsfläche bieten kann. Abstimmungstaktisch könnte sich dieser Zug gleichwohl als klug erweisen: Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie jedes Jahr via Krankenkasse Geld aus der CO2-Abgabe zurückerstattet erhalten (heuer sind es 87 Franken pro Kopf). Erst recht würden sie es nicht merken, wenn der Betrag künftig kleiner ausfiele. Der Bundesrat erhofft sich dadurch offenkundig weniger Widerstand als bei einer Erhöhung der CO2-Abgabe, wie sie die gescheiterte Vorlage vorsah.
Pro Jahr müssten 30’000 fossile Heizungen durch ökologische Alternativen ausgewechselt werden, aktuell sind es deutlich weniger.
In der Sache hat der Bundesrat recht: Will die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden, muss sie im Gebäudebereich schnell vorwärtsmachen. Ist eine neue Öl- oder Gasheizung montiert, läuft sie 20 Jahre. Heute sind landesweit noch immer etwa 900’000 fossile Heizungen in Betrieb, pro Jahr müssten also 30’000 durch eine ökologische Alternative ausgewechselt werden, aktuell sind es deutlich weniger. Es braucht also einen Effort.
Auch in die Mobilität will der Bundesrat kräftig investieren, 600 Millionen Franken sind geplant. Die CO2-Zielwerte für Neuwagen werden analog zur EU verschärft. Verfehlen Autoimporteure die Vorgaben, müssen sie wie heute Bussen bezahlen. Neu fliessen diese aber nicht mehr in den Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds, sondern in den Ausbau der E-Ladestationen. Zudem streicht der Bundesrat das Steuerprivileg für Dieselbusse. Und er verpflichtet die Airlines, erneuerbare Flugtreibstoffe beizumischen.
Ausserdem sollen sich schliesslich alle Unternehmen von der CO2-Abgabe auf Brennstoffe befreien lassen können, wenn sie sich im Gegenzug verpflichten, ihre Emissionen zu senken. Heute steht diese Option nur einzelnen Branchen offen. Zusätzlich setzt der Bundesrat auf bereits vorhandene Dynamiken, etwa die steigenden Verkaufszahlen bei den E-Autos oder die Fortschritte beim Ausbau der Fotovoltaik.
Ab 2030 wirds schwieriger
Sommaruga zeigt sich überzeugt: Diese Vorlage hat politische gute Chancen – und ermöglicht, das Klimaziel 2030 zu erreichen. Klimaschützer bezweifeln dies jedoch und fordern mehr Geld und schärfere Massnahmen. Sicher ist: Gelingen kann das Unterfangen mit dieser Vorlage nur, wenn die Schweiz sich auch CO2-Einsparungen aus Klimaprojekten im Ausland anrechnet. Das darf sie, doch das Instrument ist umstritten. Eine Teilauslagerung des Klimaschutzes vereinfacht es zwar, das 2030er-Ziel rechnerisch zu erreichen. Danach wird es dafür umso schwieriger, bis 2050 die Emissionen im eigenen Land wie angestrebt auf netto null zu drücken.
Doch genau darauf könnte es nun hinauslaufen. Der Bundesrat strebt ein Inland-Ausland-Verhältnis von 60 zu 40 an. In der Vorlage vom Juni war es 75 zu 25, der Fokus lag also mehr auf dem Inland. Der neue Schlüssel ist letztlich ein Eingeständnis: Die neue Vorlage geht weniger weit als die vom Volk abgelehnte Revision. Und das, obschon die Zeit des Klimawandels wegen drängt.
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