Die neue IOK-PräsidentinSie wurde als unfähig abgetan, jetzt zeigt sie es den Männern
Kirsty Coventry wird die erste Frau an der Spitze des wichtigsten Sportverbandes der Welt. Die Häme im Vorfeld gegenüber der früheren Schwimm-Olympiasiegerin aus Zimbabwe war gross.

Da stand sie also, lächelte ihren rund 100 Kolleginnen und Kollegen an der 144. IOK-Session in Costa Navarino (Griechenland) zu und versprach eine glänzende Zukunft: Kirsty Coventry, 41-jährige Sportministerin aus Zimbabwe und frisch gewählte Präsidentin des IOK, des wichtigsten Sportverbandes der Welt.
Als erste Afrikanerin, noch wichtiger aber: Als erste Frau (und Mutter zweier Kinder) führt die zweifache Schwimm-Olympiasiegerin ab Juni das Internationale Olympische Komitee. Dabei galt der Verband über viele Jahrzehnte als Altherrenclub, schaffte es gar, im Vergleich zur Schweiz alt auszusehen.
Thomas Bach – der grosse Lenker?
Während hierzulande die Frauen ab 1971 abstimmen durften, nahmen die IOK-Herren mit der Finnin Pirjo Häggmann erst 1981 die erste Frau auf und damit eine erste Frauenstimme in den Verein mit Sitz in Lausanne. Dabei wurde das IOK 1894 gegründet.
Insofern ist diese Wahl für die eher als reformunwillig taxierten IOK-Mitglieder eine regelrechte Sensation – die sich allerdings anbahnte und mit dem scheidenden jetzigen Präsidenten Thomas Bach zu tun hat.
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Der Deutsche trieb den Frauenanteil sowohl auf Wettkampfstufe wie im IOK voran, weil er längst gemerkt hatte: Selbst das IOK, das sich gerne als eigenes Universum im Universum versteht, kann sich gesellschaftlichen Veränderungen nicht ewig verweigern. Und: Coventry galt, zumindest wenn man den Spezialisten zum Thema glauben darf, als Bachs Wunschkandidatin.
Dass Bach fast zwei Drittel der IOK-Mitglieder in seiner zwölfjährigen Amtszeit ernennen konnte, verhalf ihm ganz offensichtlich zu einer entscheidenden Hausmacht. Schliesslich wurde Coventry etwas überraschend schon im ersten Wahlgang mit 49 von 97 möglichen Stimmen gewählt, was wohl auch mit Sebastian Coe zu tun hatte, dem als sehr aussichtsreich gehandelten Präsidenten des Leichtathletik-Weltverbandes.
Der polarisierende Sebastian Coe
Der Lauf-Olympiasieger fiel bei seinen Kollegen und Kolleginnen aber regelrecht durch (8 Stimmen, 28 erhielt Juan Antonio Samaranch jun.), was zweifellos mit seinen vollmundigen Reformvorschlägen zu tun hatte. Sowohl Bach wie seine vielen Zugewandten waren ob Coes Inputs wenig amused. Denn der Brite fand so gut wie alles verbesserungswürdig, was Thomas Bach und Mitstreiter getan hatten.
Er implizierte gar, Bach würde im kleinen Kreis der Exekutive oft an den anderen IOK-Mitgliedern vorbeiregieren. In diesem Gremium sass zuletzt auch Coventry, die 2013 als Athletenvertreterin ins IOK gekommen war. Jene Wahl gilt bis heute als denkwürdig, weil Coventry bloss auf einem Ersatzplatz gelandet war. Dank einer juristischen Intervention aber schaffte sie es, die beiden Topgewählten wegzubringen. Los ging der Lauf zur grossen Karriere als globale Sportpolitikerin.

Diese Episode war zuletzt in vielen Zeitungen zu lesen, vor allem aber auch, wie farblos-technokratisch sie sei. Gar als Anhang von Bach wurde sie dargestellt, der jüngst darum noch schnell einen TV-Deal mit NBC über 3 Milliarden Dollar verkündet habe, weil Coventry als eher wenig fähige Managerin gelte.
Und weil auch die Sommer- und Winterspiele bis 2032 vergeben seien, habe Bach quasi dafür gesorgt, dass seine Favoritin ohne grosse Schwierigkeiten dereinst im Amt walten könne – so zumindest war zu lesen. Dass keiner der sechs Kandidaten auch nur in ähnlicher Tonalität abgeurteilt wurde, offenbart: Keineswegs nur das IOK scheint sich bei Geschlechterfragen mitunter schwerzutun.
Richtig ist: Wofür die neue Präsidentin steht, ist so gut wie unbekannt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kandidaten im Vorfeld nur sehr eingeschränkt für sich werben durften – sehr wohl aber auch damit, dass Coventry trotz eines Jahrzehnts im IOK noch kaum Profil entwickelt hat.
Darum wird sich in den nächsten Jahren, sie kann das Amt maximal zwölf Jahre ausüben, erst zeigen, ob das Revolutionärste an ihr tatsächlich das Geschlecht ist.
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