Theater in Corona-ZeitenKein Niesen ohne Ansage!
Wie spielen Theater und Orchester ohne Körpernähe? Für die Phase der gelockerten Pandemie-Regeln haben die Häuser nun ein Schutzkonzept erstellt.
«Husten und Niesen sind beiderseits voranzukündigen, damit sich der Maskenbildner kurzzeitig aus dem ‹Kontaminierungsfeld› entfernen kann (Abstand mindestens 2 m)»: So lautet eine der diversen strengen Regeln fürs Schminken an Theatern, wie sie nun im «Schutzkonzept im Rahmen der schrittweisen Lockerung der BAG-Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus (Covid-19) für Theater-, Konzert- und Veranstaltungsbetriebe in der Schweiz» veröffentlicht wurden.
Der Schweizerische Bühnenverband, der Schweizer Verband technischer Bühnen- und Veranstaltungsberufe sowie der Verband Schweizerischer Berufsorchester haben zusammen eine Taskforce aufgestellt und nun ein Vorschriftenbündel zur Wiederaufnahme der Betriebe vorgelegt, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren (Lesen Sie hier).
Scheinwerfer allein aufhängen?
Die Broschüre – es handelt sich dabei um Teil I – ist 54 Seiten lang; und bei ihrer Lektüre realisiert man erst so recht, wie viele infektionstechnisch neuralgische Punkte im Betrieb von Livekunst existieren. Und wie schwierig und aufwendig es ist, sie auszuschalten. So stellt allein schon der Bühnenaufbau die Belegschaft vor eine Unmenge an Problemen.
Als Referenzwert bei den Aufbauarbeiten beispielsweise gelten 10 m² pro Person. Falls der Abstand von 2 m nicht eingehalten werden kann, etwa beim Tragen von schweren Bauteilen oder beim Aufhängen von Beleuchtung, ist die Kontaktdauer auf maximal 5 Minuten begrenzen. Danach ist zwingend wieder für mindestens 10 Minuten ein Abstand von 2 m einzuhalten. Das heisst, dass komplexere Arbeitsvorgänge eventuell mehrfach angegangen werden müssen, weil man es im 5-Minuten-Sprint nicht gleich geschafft hat. Samt 10-minütigen Pausen zwischendrin kann so etwas lange dauern.
Zudem ist das Tragen von Hygienemasken bei längerer Kontaktdauer (über 5 Minuten) Pflicht sowie das Tragen von Schutzhandschuhen. Mitarbeitende, die zur Risikogruppe gehören, sollen von diesen Arbeiten freigestellt werden.
Alle Arbeiten müssen vorab detailliert geplant werden, damit es zu keinem unnötigen Personenverkehr kommt. Wartezonen mit ausreichendem Platz (mindestens 4 m² pro Person) sind einzurichten. Es wird die Bildung von «festen Teams» gefordert, um eine Durchmischung zu vermeiden. Verwendete Werkzeuge und Hilfsmittel wie Handgabelhubwagen müssen nach Gebrauch und vor Übergabe an andere Personen mit handelsüblichem Reinigungsmittel gereinigt, Funkgeräte personifiziert werden.
Bitte nicht berühren
Dass der Probenbetrieb selbst eine Herausforderung darstellt, war zu erwarten. Es gilt auch hier die Abstandsregel von 2 m: Auf körpernahe Szenen soll, wenn irgend möglich, verzichtet werden. Sollte dies unmöglich sein, sind etliche zusätzliche Schutzmassnahmen zu treffen. Die nahe Kontaktdauer muss auf maximal 5 Minuten begrenzt werden, Sprechproben werden mit den Gesichtern in Richtung Publikum abgehalten. Das Papier empfiehlt zudem kontaktloses Fiebermessen aller Beteilgten vor jeder Probe und den Einsatz einer Contact-Tracing-App.
Deutlich wird jedenfalls: Auf die Häuser und die Künstlerinnen und Künstler kommt, neben etwaigen Ängsten, ein technischer und zeitlicher Mehraufwand zu, der sich gewaschen hat. Und erhalten die freigestellten Mitarbeiter und Ensemblemitglieder eigentlich ihren vollen Lohn?
Klar ist, dass der Aufwand mit höheren Kosten verbunden sein wird. In welchem Ausmass das Publikum in Corona-Zeiten dergestalt entwickelte Aufführungen dann auch besuchen darf – und will – und ob im Theater nur jeder zweite Sitz besetzt werden darf: All dies ist noch offen.
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