Hollywoodstar in ZürichKuschelrock mit Keanu Reeves in der Nebenrolle
Der Schauspieler stand mit seiner Band Dogstar im Kaufleuten auf der Bühne – und sorgte für ein filmreifes Indie-Konzert.
«Wir haben Songs für alle Lebenslagen», sagt Bret Domrose stolz; Keanu Reeves derweil zieht die Mundwinkel hoch, und im Hintergrund fuchtelt Schlagzeuger Robert Mailhouse mit einem seiner Sticks. Dann wird das Konzert unterbrochen, sehr abrupt, vor der Bühne ist etwas passiert. Der Sänger rennt nach hinten, kommt zurück mit einer Flasche Wasser, es wird ruhig, aber alles scheint okay zu sein, Applaus ertönt, dann geht es weiter, ausgerechnet mit «Dillon Street», einem Wohlfühlsong, in dem es heisst: «Hey, you don’t have to feel so alone».
Es ist eine typische Szene an diesem sehr netten Abend im Zürcher Kaufleuten. Und nett bedeutet für einmal tatsächlich einfach – nett.
Die Jungs von Dogstar, die Band mit dem berühmten Bassisten, sehen aus, wie man sich drei alternde Indie-Rock-Stars eben vorstellt. Ein bisschen angeschlagen, aber ziemlich cool im Sinne von: Mit denen würde man gerne ein Bier trinken, in Nostalgie versinken und herumsumpfen, vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen wütend, so à la letztes Jahrhundert.
Es fehlen nur die rosa Wolken
Die Alternative-Rock-Band aus Kalifornien besteht seit 1991, der Legende nach lernten sich Mailhouse und Reeves in einem Kaufhaus kennen, beide trugen Eishockeyshirts. Aus der Garagenband wurde am Ende Dogstar, der Name wurde gewählt, weil ihn angeblich jemand in einem Henry-Miller-Roman entdeckte.
Das war lange vor Keanu Reeves’ Erfolgsfilmen «Matrix», «John Wick» und «Speed», der übrigens fast auf den Tag genau vor 30 Jahren in die Kinos kam. Anfang der Nullerjahre verschwand die Band irgendwo hinter der Bühne, es wurde still um die Bandkollegen, während Keanu Reeves seinen Status als Superstar manifestierte – auf der Leinwand.
Und heute? Sind Filmregisseur, Autor und Produzent Keanu Reeves und seine beiden Garagen-Freunde auf «Somewhere Between the Power Lines and Palm Trees»-Tournee. So heisst der Titel ihres aktuellen, dritten Albums, und so klingen die neuen Songs: Von Stromleitungen ist zwar nicht viel zu spüren, vielmehr haften sich die melodiösen Stücke sofort an die Herzen im Publikum, man sieht es auf den glücklichen Gesichtern. Der Sound ist anzusetzen irgendwo zwischen rosarotem Kalifornienhimmel und grungiger Melancholie. Düster ist das keineswegs, zu fröhlich wummert die Gitarre, und zu gut aufgelegt und clean sind die Musiker, zu sauber auch ihre T-Shirts, zu unzerrissen ihre Hosen. Mit Rumsumpfen wird nichts, das ist schnell klar, aber das ist okay.
Nun steht er da, zupft Bass und lächelt dann und wann. Mehr nicht. Auf der Bühne verschieben sich die Verhältnisse, Keanu Reeves spielt sehr klar eine Nebenrolle (wenn auch eine prominente), die Show hält aber Sänger Domrose am Laufen. Dass die drei freundschaftlich verbunden sind, und das schon sehr lange, ist jederzeit spürbar.
Hübsche Indie-Klänge, richtig nice
Dogstar sei der Inbegriff der südkalifornischen Storytelling-Rockband, hiess es im Voraus des Konzerts, was auch immer das heissen mag. Dogstar ist aber auch die Bezeichnung von Sirus, dem hellsten Stern am Nachthimmel. Was jetzt nicht unbedingt passt. Aber kuschelig ist das allemal. Schade nur, gibts kein Merch-Ware zu kaufen – auf der Dogstar-Website etwa ist ein Can Hugger (ein Büchsenhalter) mit Palmenmotiv erhältlich, man kann es sich so gut vorstellen, wie dieser im Sand steht, vor einem rosa Himmel.
Wie auch immer. Je fortgeschrittener das unaufgeregte Konzert, desto schulbubiger kommen die drei rüber, ein bisschen rockiger auch. Und kneift man die Augen zusammen, kann man sich ohne weiteres der Illusion hingeben, man sei Jahrzehnte zurück katapultiert worden – ohne Bier, aber mit ein paar hübschen Indie-Klängen in den Ohren. Es ist richtig nice.
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