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Fiasko der Credit Suisse
Pragmatisch oder unerfahren? Karin Keller-Sutter im CS-Sturm 

Finanzministerin Karin Keller-Sutter neben UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher. 
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«KKS vernebelt!»

Das schreibt ein einflussreicher Nationalrat per Chatnachricht, während Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Sonntagabend vor den Medien spricht. «Total fail.»

Die Finanzministerin spiele herunter, was die Schweizer Bevölkerung mit diesem Deal riskiere. Es seien nämlich nicht nur die 9 Milliarden, die der Bund gegenüber der UBS absichere, oder die 100 Milliarden, die er der Nationalbank für die zusätzliche Liquidität garantiere. Auch die von der Nationalbank bereits gewährte Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken seien Volksvermögen (selbst wenn dem Steuerzahler daraus erst ein Schaden entstünde, wenn die Nationalbank deswegen keinen Gewinn an die Kantone ausschütten könnte). Insgesamt betrage das Risiko der Schweizer Bevölkerung damit 209 Milliarden Franken. «30 Prozent des Bruttoinlandprodukts!»

Keller-Sutter sagt zur selben Zeit vor den Medien, zuerst auf Deutsch: «Es ist keine Staatslösung.» Dann, für die englischsprachige Finanzpresse: «This is no bailout, this is a commercial solution.» Eine Bank übernehme ganz einfach eine andere. Die Finanzministerin beteuert: Das finanzielle Risiko für den Bund und die Steuerzahler sei überschaubar – und deutlich geringer als bei jedem anderen Szenario. Es handle sich bloss um eine Art Versicherung für den Fall der Fälle. An anderer Stelle spricht sie von «Garantie».

Eine Staatsgarantie für eine Bank: Das ist genau das, was die Politik nie mehr wollte. Was die «Too big to fail»-Regulierung nach dem Fall UBS im Jahr 2008 verhindern sollte. Doch als Alternative sah der Bundesrat nur noch mehr Staat: eine Verstaatlichung der CS, eine «temporary public ownership». «Damit hätte man den ‹Too big to fail›-Gedanken pervertiert», sagt Keller-Sutter.

Tatsache ist: Wäre es keine Staatslösung, hätte der Bundesrat nicht vergangene Woche an einer Krisensitzung Notrecht erlassen müssen. Die Finanzdelegation des Parlaments hätte keinen Verpflichtungskredit von 109 Milliarden Franken genehmigen müssen. Und Karin Keller-Sutter sässe nun nicht vor den Medien.

Verantwortung für die ganze Welt

Dass es nicht anders ging, widerspricht allem, woran Karin Keller-Sutter glaubt, wofür sie als FDP-Finanzministerin steht: den freien Markt, den Wettbewerb, die Selbstregulierung. Doch darauf zu beharren, war für den Bundesrat keine Option. Ohne Massnahmen – das sagt Keller-Sutter mehrmals – hätten nicht nur «schwere Verwerfungen» gedroht, sondern eine internationale Finanzkrise. «Die Schweiz musste hier auch ihre Verantwortung über die eigenen Landesgrenzen hinaus wahrnehmen.»

Keller-Sutter stand in den vergangenen Tagen täglich in Kontakt mit US-Finanzministerin Janet Yellen und dem britischen Finanzminister Jeremy Hunt. Deren Sorge war dem Vernehmen nach gross. Schon der Crash der vergleichsweise unbedeutenden Silicon Valley Bank in den USA hatte Schockwellen durchs internationale Finanzsystem geschickt – ein Vorgeschmack auf das, was ein Konkurs der CS ausgelöst hätte.

All das hat Keller-Sutter vor Augen. Nicht im Vordergrund steht für sie am Sonntagabend dagegen die Frage, wie es so weit kommen konnte, wer daran schuld ist und welche Konsequenzen das haben muss. Der Bundesrat «bedauere», dass die Bank «in diese Situation gekommen» sei, sagt sie einzig. Und, angesprochen auf die Boni-Exzesse bei den Banken: «Das ist halt eine andere Geschichte.» Dass Keller-Sutter an diesem Sonntagabend sogar sagt, der Bundesrat sei der UBS und der CS für die Lösung dankbar, bringt ihr Kritik ein – nicht nur in sozialen Medien. 

Die SVP macht umgehend den «FDP-Filz» verantwortlich für das Debakel, SP und Grüne erinnern daran, dass sich Keller-Sutter früher gegen weitergehende Bankenregulierungen gesperrt habe. 

«Wir sind international führend»

Tatsächlich hatte sich Keller-Sutter als Ständerätin gegen ein Trennbankensystem ausgesprochen, die Trennung von Investmentbanking und Geschäftsbank. Zwar stellte sie in einer Ständeratsdebatte im März 2014 fest, der Wirtschaftsstandort und die Volkswirtschaft sollten nie mehr in der Art und Weise gefährdet werden wie im Fall UBS: «Der Steuerzahler darf nicht in eine Situation kommen, in der er im Extremfall für die Risiken anderer aufkommen müsste.»

Doch gleichzeitig relativierte Keller-Sutter. Seit der Finanzkrise von 2008 sei viel geschehen, die Banken hätten nicht nichts getan. «Die Kapital- und Liquiditätsanforderungen gemäss Basel III und auch der Swiss Finish, den wir obendrauf gesetzt haben, führen natürlich dazu, dass wir international in dieser Hinsicht führend sind.» Das war damals allerdings Konsens im bürgerlichen Lager.

Nun ist es wieder passiert, und Keller-Sutter ist mitten im Sturm. Sie musste – keine drei Monate als Finanzministerin im Amt – eine Lösung finden und dabei zwischen schlechten und noch schlechteren Optionen wählen.

Fehlende Führung unter Finanzminister Maurer?

Gänzlich unerwartet traf es sie nicht: Die Schwierigkeiten der CS waren schon Thema im Bundesrat, als noch SVP-Bundesrat Ueli Maurer Finanzminister war, und zwar mehrmals. Im vergangenen Herbst stand an einer Bundesratssitzung sogar zur Diskussion, wegen der CS eine Gesetzesänderung beschleunigt einzuführen. Die Ämter im Finanzdepartement arbeiteten seit Monaten an Szenarien. Man wusste, dass die CS in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte, man befasste sich damit.

Politisch geführt worden sei das «Dossier CS» unter Maurer aber kaum, heisst es in anderen Departementen. Das habe sich mit Keller-Sutter geändert. KKS war schon als Justizministerin bekannt dafür, Probleme entschlossen und pragmatisch anzugehen – etwa mit dem raschen Entscheid, für Flüchtlinge aus der Ukraine den Status S einzuführen. Wer ihr wohlgesinnt ist oder politisch nahesteht, bezeichnet es als Glücksfall, dass sie in dieser Krise zuständig ist.

Skeptische Stimmen weisen hingegen darauf hin, dass Keller-Sutter keine Bankenexpertin sei und als Finanzministerin noch kaum Erfahrung habe. Sie bewege sich auf unbekanntem Terrain. Deshalb habe sie sich von der UBS eine Staatsgarantie in diesem Umfang aufnötigen lassen.

Der Fall CS hat das Potenzial, dereinst Keller-Sutters Bilanz als Bundesrätin zu prägen. Eine gewisse Nervosität war ihr am Sonntagabend anzumerken.