Kantonsrat sieht Grundrechte genug geschütztIn Zürich wird Gesichtserkennung nicht generell verboten
Der Zürcher Kantonsrat will Systeme, die einzelne Menschen in der Masse erkennen, nicht generell verbieten. Es gebe Gesetze, die deren Einsatz begrenze.
An Flughäfen und Bahnhöfen werden Menschenmengen gescannt und in Sekundenschnelle mit den Gesichtern aus irgendwelchen Datenbanken abgeglichen. In Filmen werden so alle Verbrecher gefunden.
Am Montag war diese Fahndungsmethode Thema im realen Zürcher Kantonsrat. Die grüne Wilma Willi (Stadel) forderte zusammen mit drei Kantonsrätinnen aus SP, AL und GLP ein grundsätzliches Verbot biometrischer Fern-Erkennungssysteme.
Nicht betroffen davon wäre die Gesichtserkennung bei der Passkontrolle. Dort werden nur zwei Gesichtsbilder verglichen werden, jenes am Schalter und jenes im Pass.
Verboten würde hingegen die Identifizierung von Einzelpersonen in einer Menschenmenge. Das komme einer Überwachung der Bevölkerung gleich und gefährde fundamentale demokratische Prinzipien und sei ein Eingriff in die Grundrechte, schreiben die Kantonsrätinnen in der Begründung zu ihrer Motion.
Regierung sieht keinen Handlungsbedarf
Für den Regierungsrat sind Willis Bedenken übertrieben. Die heutigen gesetzlichen Regeln seien ausreichend, schreibt er in der Antwort auf den Vorstoss. So genüge eine allgemeine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit noch nicht, um biometrische Systeme einzusetzen. Automatische Gesichtserkennung müsse in jedem Fall bewilligt werden. Dazu müsse der Einsatz von Fern-Erkennungssystemen verhältnismässig sein und ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehen.
Willi genügte diese Erklärung nicht. Bei der Wahlplattform Smartvote hätten vor den letzten Wahlen rund 80 Prozent aller Kandidierenden ein Verbot der Gesichtserkennung befürwortet: «Das ist zeitgemäss und ein breit abgestütztes Anliegen», sagte sie. Es brauche Massnahmen, damit die Kontrolle über die künstliche Intelligenz nicht verloren gehe. «Der Staat darf uns mit den neuen Technologien nicht alleine lassen.»
Fehleranfällige Systeme
Nicola Yuste (SP, Zürich) räumte zwar ein, Verbote seien im Verwaltungsrecht verpönt. In diesem Fall sei es aber nötig. Sonst würden Menschen davon abgehalten, staatskritische Versammlungen zu besuchen.
Zudem seien Erkennungssysteme nicht fehlerfrei. «Das ist hochproblematisch und stellt Unschuldige unter Verdacht», sagt Yuste. Besonders bei Frauen, Jungen und Menschen mit nicht weisser Hautfarbe seien die Systeme fehleranfällig.
Für Nathalie Aeschbacher (GLP, Zürich) ist ein Verbot, die einzige Möglichkeit, um die automatische Gesichtserkennung im öffentlichen Raum wirksam einzudämmen.
«Chaoten» überwachen
Keinen Grund dafür sehen die Bürgerlichen. Für Christina Zurfluh (SVP, Wädenswil) wäre dies ein «unnötiges Gesetz auf Vorrat». Die audiovisuelle Überwachung sei in Zürich eng begrenzt. Zudem sagte sie: «Chaoten dürfen bei uns nicht unbehelligt bleiben.»
Justizdirektorin Jacqueline Fehr betonte im Namen des Regierungsrates, die neuen Erkennungstechnologien müssten eng reguliert sein. Ein neues Gesetz sei dazu allerdings nicht nötig.
Schliesslich lehnte der Rat die Motion von Wilma Willi mit 86:81 Stimmen knapp ab. Dies, weil die linke Ratsseite einige Absenzen zu verzeichnen hatte, und weil sich einige EVP-Kantonsräte der Stimme enthielten.
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