Spitzenclub vor dem UmbruchKann der EV Zug nur dieses Jahr zum Titel kurven?
Der EVZ dominiert die Eishockey-Meisterschaft. Doch nach dieser Saison verliert er mehrere Schlüsselspieler.
Es dürfte eine inoffizielle Weltbestmarke in dieser Corona-Saison sein: Der EV Zug hat nach über 80 Prozent der Qualifikationspartien eine ausgeglichene Bilanz zwischen Niederlagen nach 60 Minuten und Pausen wegen Quarantäne: 3:3.
So ärgerlich die regelmässigen Unterbrüche sind, so eindrücklich ist der erste Wert – alle Ligakonkurrenten haben mindestens viermal mehr Nuller eingefahren. «Ich bin glücklich über unsere Konstanz», sagt Trainer Dan Tangnes vor der Fortsetzung der Meisterschaft gegen Ambri-Piotta am Freitagabend.
21-mal in Serie gepunktet
Neun Siege hatten die Zuger aneinandergereiht, als vor Wochenfrist wegen zweier positiver Corona-Fälle das ganze Team für sieben Tage in Quarantäne musste. Zwischen dem 14. November und dem 26. Januar hatten die Zentralschweizer sogar in 21 Partien in Serie gepunktet. Die beiden Heimniederlagen nach Viertorevorsprung gegen die ZSC Lions und Biel lassen sich da getrost als Betriebsunfälle abtun.
Obwohl das Team auch letzte Saison stark spielte und den Qualifikationssieg erst in den letzten Runden preisgab, ist eine weitere Entwicklung zu erkennen. Das sieht auch Tangnes so: «Es ist schwieriger, gegen uns Torchancen zu kreieren. Mehr Spieler sind bereit, überall hart zu arbeiten, nicht nur in der Offensive. Grégory Hofmann zum Beispiel ist viel kompletter als noch letztes Jahr.»
98 Punkte hat der EVZ bisher eingespielt, 2,33 pro Spiel – der Qualifikationssieg ist Formsache. Neun Punkte müssen die Zuger im extremsten Fall aus den letzten zehn Partien noch gewinnen. Und schon stellt sich die nächste Frage: Wer soll das Team mit der besten Offensive und der zweitbesten Defensive am Meistertitel hindern, zumindest dann, wenn das Playoff nach dem Best-of-7-Modus ausgespielt wird?
Tangnes weiss, dass die Meisterschaft kein Selbstläufer wird: «Was Anfang Saison funktioniert, ist am Schluss nicht gut genug. Wir müssen uns weiter verbessern, viele Teams werden sich auch steigern.» Zum Beispiel in den «Special Teams»: Zug hat nur das achtbeste Unterzahlspiel, und auch die Überzahl-Erfolgsquote von 21,14 Prozent, der drittbeste Wert, ist nicht über alle Zweifel erhaben. Oder bei der Disziplin. Tangnes sagt: «Wir waren in vielen Spielen dominant, haben aber doch gleich viele Strafen genommen wie der Gegner.»
Viele Abschiede beim EVZ
Das nächstjährige Kader wird gegenüber dem aktuellen grosse Unterschiede aufweisen. Mit Raphael Diaz, Santeri Alatalo und Tobias Geisser verliert Zug die drei besten Verteidiger. Dazu wechselt Hofmann in die NHL, mit Yannick-Lennart Albrecht ein verlässlicher Defensivcenter nach Rapperswill, und mit Calvin Thürkauf kehrt ein physisch starker Spieler nach Nordamerika zurück.
Auf den Ausländerpositionen stehen die Zeichen bei Erik Thorell und Carl Klingberg auf Abschied, und Teamleader Jan Kovar hat eine Ausstiegsklausel für die KHL. Einen Teil des Aderlasses auffangen sollen die Rückkehrer Reto Suri und Fabrice Herzog sowie Verteidiger Samuel Kreis. Da Zug nach Hofmanns Abgang von der umstrittenen Regel profitieren und fünf Ausländer einsetzen kann, dürften zwei ausländische Verteidiger auflaufen. «Wir haben bei der Besetzung der Ausländerpositionen noch viel Zeit», sagt Sportchef Reto Kläy.
«Raphael Diaz wird uns fehlen. Ich hätte ihn sehr gerne noch viel länger bei uns gehabt.»
Die Ausgangslage ist heuer gut, viele Beobachter sprechen aber auch vom «Jahr der letzten Chance» für das mit Abstand konstanteste Team der letzten fünf Jahre, in dem etliche aus der eigenen Organisation stammende Nachwuchskräfte den Sprung zu Stammspielern schafften. Der Norweger glaubt auch wegen dieses starken Kerns nicht, dass diese Formulierung berechtigt ist: «Das ist mehr eine Sache der Medien und generell von aussen. Im Team wissen alle, wie schwierig es ist. Wir machen alles, damit wir ein Titelanwärter sind, das war jedes Jahr so. Man braucht aber auch etwas Glück, ein paar gute Rebounds und darf kein Verletzungspech haben, damit man um den Titel spielen kann. Wir wollen mit diesem Team etwas Spezielles erreichen, und was nächstes Jahr ist, schauen wir danach.» Auch Kläy rechnet nicht mit einem Qualitätsverlust: «Wir wollen jedes Jahr besser werden, und das wird auch nächste Saison nicht anders sein.»
Mit Diaz und Hofmann gehen zwei Leader
Am schwersten wiegen dürfte der Verlust von Identifikationsfigur Diaz, dem eine Verlängerung um drei Jahre – plus ein viertes Jahr im Falle eines Meistertitels – verweigert wurde, obwohl der Nationalmannschaftscaptain zu einer substanziellen Lohneinbusse bereit war.
Tangnes bedauert den Abgang des Urzugers: «Raphi ist seit vielen Jahren ein hervorragender Botschafter für den EVZ. Ich habe höchsten Respekt für ihn als Mensch und Hockeyspieler. Er ist ein echter Profi, ein tolles Vorbild für unsere jungen Spieler. Er wird uns fehlen. Ich hätte ihn sehr gerne noch viel länger bei uns gehabt.» Grundsätzlich sieht der 42-jährige Tangnes die neue Situation aber pragmatisch: «Wenn ich einem wie Hofmann helfen kann, seinen Traum mit 28, 29 zu erreichen, ist das super. Und Wechsel bedeuten neue Chancen für andere Spieler.»
Gerade der Einzug ins Sport- und Forschungszentrum On Your Marks (OYM) hat einen Schub verliehen, dessen Tragweite erst in einigen Jahren erkennbar sein wird. Das OYM, wo die Welten des Sports und der Wissenschaft immer besser zusammenkommen, ist mit ein Grund, weshalb Tangnes trotz verschiedener Angebote, unter anderem vom SC Bern, seinen Vertrag um drei Jahre verlängerte. Seine Vision geht über Titel hinaus: «Natürlich will ich ein Wohnzimmer voller Trophäen. Ich will aber auch eine Art Vermächtnis hinterlassen. Junge Spieler sollen hierherkommen und zu guten Spielern heranwachsen, und dies mit ganz neuen Methoden.»
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