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Warnsignal weisse Finger
Kalte Hände – nicht immer harmlos

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Manche Menschen mögen den Winter nicht, weil sie immer schnell frieren – vor allem an den Fingern: Die werden dann schlagartig weiss und fühlen sich steif und taub an. Was der Volksmund «Leichenfinger» oder «Weissfingerkrankheit» nennt, ist in der Medizin als Raynaud-Syndrom oder -Phänomen bekannt. Davon betroffen sind fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung. Meist sind die Beschwerden harmlos – trotzdem ist es sinnvoll, sie abzuklären.

«Bei dem Syndrom handelt es sich um eine anfallartige Minderdurchblutung der äussersten Körperabschnitte. Am häufigsten sind die Finger betroffen, aber es können auch die Zehen, Ohrläppchen, Nasenspitze oder Brustwarzen sein», erklärt Gefässpezialist (Angiologe) Thomas Meier vom Universitätsspital Zürich. Hervorgerufen wird die Durchblutungsstörung durch ein plötzliches Zusammenziehen kleinster Blutgefässe.

Hyperaktives Nervensystem

In der Theorie durchlaufen die betroffenen Finger – die Daumen bleiben üblicherweise ausgespart – drei Phasen, die durch einen typischen Farbverlauf gekennzeichnet sind: Verengen sich die Gefässe, werden die Finger weiss, weil kein Blut mehr ankommt. Später kann es zu einer Blauverfärbung kommen, weil sich der Sauerstoffgehalt im noch vorhandenen Blut senkt.

«Dann merkt der Körper, dass die Finger unterversorgt sind, und es kommt zu einer reaktiven Weitstellung der Gefässe. Das Blut schiesst ein, und die Finger sind plötzlich gut durchblutet und rot», sagt Ulrike Hügel, Angiologin am Inselspital Bern. «Allerdings durchlaufen die wenigsten Patienten die klassischen drei Tricolore-Stadien, häufig ist der zweiphasige Verlauf mit Weiss- und anschliessender Blauverfärbung oder nur das alleinige Weisswerden zu beobachten.»

Auslöser des Verfärbungsphänomens sind niedrige Temperaturen oder der direkte Kältekontakt, etwa das Umschliessen einer gekühlten Wasserflasche, aber auch emotionaler Stress. «Man vermutet eine Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems, das auf bestimmte Reize wie Kälte überreagiert», so Hügel.

Frauen häufiger betroffen

Das vegetative Nervensystem, das wir willentlich nicht beeinflussen können, steuert unter anderem die Temperaturregulation des Körpers. Das geschieht über Muskelzellen, die in den Gefässwänden sitzen. Bei Wärme entspannen und weiten sich die Gefässe, um möglichst viel Wärme nach aussen abzustrahlen. Bei Kälte verengen sich die Blutgefässe vor allem in Händen und Füssen, um die Versorgung lebenswichtiger Organe wie Hirn, Herz und Leber aufrechtzuerhalten. Bei Menschen, die an der Weissfingerkrankheit leiden, verengen sich diese Blutgefässe allerdings zu schnell und zu stark.

Erstmals beschrieben wurde das Phänomen im Jahre 1862 vom Medizinstudenten Maurice Raynaud. Mediziner unterscheiden heute zwei Formen: das primäre und das sekundäre Raynaud-Syndrom. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, und meist handelt es sich um die gutartige primäre Form, die hauptsächlich schlanke Frauen mit niedrigem Blutdruck betrifft und familiär gehäuft auftritt. Die Anfälle beginnen oft während der Pubertät und schwächen sich bis zur Menopause hin ab. «Die Ursache des primären Raynaud-Syndroms ist unbekannt», sagt Thomas Meier.

Anders sieht es beim sekundären aus. Dieses ist immer mit einer anderen Erkrankung verbunden. «Sind die Patienten älter, also 40 oder 50, und klagen erstmalig über die Beschwerden, wird es kompliziert», sagt Ulrike Hügel, die Berner Angiologin. Denn die anfallartige Minderdurchblutung von Körperabschnitten kann nicht nur bei vielen verschiedenen Erkrankungen auftreten. In manchen Fällen sind die Anfälle auch das erste Symptom einer ernsteren Erkrankung. «Das Raynaud-Syndrom kann ein Warnsignal sein und anderen Symptomen der zugrunde liegenden Erkrankung um Jahre vorausgehen», so Hügel.

Vorboten für verschiedene Krankheiten

Als Ursache kommen arterielle Krankheiten infrage, etwa eine Arteriosklerose, also eine Verkalkung der vorgeschalteten grösseren Arterien der Hände und Füsse, oder Autoimmunerkrankungen wie die Sklerodermie, bei denen Antikörper das körpereigene Gewebe und auch Blutgefässe angreifen. Aber auch Tumorerkrankungen und bestimmte Medikamente wie Anti-Migräne-Tabletten und Chemotherapeutika können die Beschwerden auslösen oder verschlimmern. Ein erhöhtes Risiko haben ausserdem Menschen mit bestimmten beruflichen Belastungen, die viel mit vibrierenden Maschinen wie etwa Presslufthämmern arbeiten und dadurch ihre Blutgefässe schädigen können.

Die Unterscheidung zwischen harmloser und sekundärer Form des Syndroms ist nicht immer einfach. Es gibt aber neben dem Alter einige Hinweise, die Gefässmedizinern Anhaltspunkte bieten: Bei der harmlosen Variante sind häufig beide Hände betroffen, und die Anfälle dauern meist nicht länger als eine halbe Stunde. Beim sekundären Syndrom können die Anfälle hingegen einseitig auftreten und länger anhalten. «Typisch ist hier auch, dass im Verlauf offene Hautstellen auftreten, was bei der primären Form eine Rarität ist», sagt Meier.

Gefäss-Check verschafft Klarheit

Beim Verdacht eines krankheitsbedingten Raynaud-Syndroms werden die Blutgefässe der Hand und des Armes untersucht und geschaut, ob diese verengt sind. Zusätzlich prüfen Ärzte mithilfe eines Auflichtmikroskops Zustand und Anzahl der Kapillaren im Nagelfalz an.

Ein primäres Syndrom, die harmlose Variante, stellen Ärzte letztlich per Ausschlussdiagnose fest. Dazu muss das Leiden mindestens seit drei Jahren bestehen, ohne dass eine Grunderkrankung gefunden wird.

Weisse Finger im Winter sind also meist kein Grund zur Sorge. Nehmen die Beschwerden aber zu oder treten neu auf, sollte man den Weg zum Arzt nicht scheuen.