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Corona-Variante trifft Briten
Johnson erwägt wegen Delta offenbar Lockerungsplan anzupassen

Wurde wegen der Delta-Variante zu einem Corona-Hotspot: Die Stadt Bolton im Nordosten Englands. Hier vor einem Impfzentrum am 9. Juni 2021.
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Die indische Coronavirus-Variante B.1.617.2, neu Delta genannt, hat die Lage in Grossbritannien in kürzester Zeit stark verändert. Neil Ferguson, führender wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung, warnte an einer Pressekonferenz am Mittwoch, dass das Risiko einer «erheblichen dritten Welle» bestehe. Am Mittwoch meldete das Land 7540 Fälle – der höchste Anstieg an einem Tag seit Februar. Seit letzter Woche sind die Neuansteckungen um 74 Prozent gestiegen.

Die Verbreitung der Delta-Variante könnte laut dem Epidemiologen zu einer «ziemlich katastrophalen dritten Welle» von Hospitalisierungen führen, die mit der zweiten Welle im Winter vergleichbar wäre. «Wir können das Ausmass nicht definitiv einschätzen, es könnte wesentlich geringer sein als die zweite Welle, oder es könnte in der gleichen Grössenordnung liegen», sagte er. Dies hänge nun vor allem davon ab, wie effektiv die Impfstoffe bei der Delta-Variante wirkten. Er denke zwar, dass die Todesfälle aufgrund des hohen Schutzeffekts der Impfungen niedriger sein werden, trotzdem bezeichnete er die Lage als «beunruhigend».

Dabei sah gerade noch alles gut aus in Grossbritannien. Nachdem das Land Ende Januar den bisherigen Höhepunkt der Pandemie erlebte, kehrte dank eines strikten Lockdown, einer erfolgreichen Impfkampagne und stagnierenden Fall- und Todeszahlen nach und nach Ruhe ein. Die Rückkehr zum normalen Leben war zum Greifen nahe, die Regierung wollte am 21. Juni sogar sämtliche gesetzlichen Restriktionen für soziale Kontakte aufheben. «Tag der Freiheit» nannten die Briten das langersehnte Datum.

«Tag der Freiheit» in Gefahr

Schliesslich würden dann jegliche Einschränkungen für Veranstaltungen wegfallen, auch die Nachtclubs könnten wieder öffnen. Doch der grosse Öffnungsschritt steht nun auf der Kippe. Dies liess auch der britische Premierminister Boris Johnson durchblicken. «Was jeder sehr deutlich sehen kann, ist, dass die Fälle ansteigen und die Hospitalisierungen in einigen Orten zunehmen», sagte Johnson am Mittwoch, als er vor Beginn des G7-Gipfels in Cornwall landete. Bevor man zur nächsten Stufe übergehen könne, müsse beurteilt werden, ob die Einführung der Impfstoffe einen ausreichenden Schutz in der Bevölkerung aufgebaut habe. «Es gibt Argumente, die in die eine oder andere Richtung gehen», sagte Johnson.

Ein hochrangiger Regierungsbeamter sagte gegenüber der «Financial Times», dass die Befürchtungen bezüglich der neuen Variante dazu geführt hätten, dass Johnson nun einen «Mix-and-Match-Ansatz» in Betracht ziehe. Laut dem Kabinettsminister versuchten Regierungsbeamte, eine Lösung zu finden, die den «Instinkten des Premierministers» entspreche, das Land wieder zu öffnen. Laut dem Regierungsbeamten wäre es zum einen zwar relativ einfach, eine Änderung bei den Restriktionen bezüglich grösserer Hochzeiten vorzunehmen. Er erwarte jedoch, dass Nachtclubs noch «für eine Weile» geschlossen bleiben müssen.

Muss mit seinem Land wegen steigender Zahlen wohl nochmals eine «Extrarunde» drehen: Premier Boris Johnson.

Berichten zufolge könnten somit die Maskenpflicht, die Homeoffice-Empfehlung und die 6-Personen-Regel bleiben. Die Obergrenze von 30 Gästen bei Hochzeiten entfällt jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit. Ein anderer hoher Regierungsbeamter, der eng in den Prozess involviert ist, bestätigte, dass die Regierung einen hybriden Ansatz in Erwägung zieht. Er unterstrich jedoch, dass es «sehr kompliziert» wäre, diesen zu verwirklichen. Eine definitive Entscheidung wird am Montag gefällt.

Strengere Richtlinien verordnet

Vor allem im Nordwesten Englands gibt es immer mehr Corona-Hotspots. Die Zahl der Hospitalisierungen ist dort seit Ende Mai um 40 Prozent gestiegen. Dies ist hauptsächlich auf eine Zunahme von Patienten unter 65 Jahren zurückzuführen, bei denen die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass sie beide Impfdosen erhalten haben. Denn obwohl eine erste Impfung einen gewissen Schutz gegen die Delta-Variante bietet, ist die Schutzwirkung nach einer zweiten Impfung höher.

Am Dienstag verordnete die Regierung für mehrere Ortschaften im Nordwesten strengere Richtlinien, fast sechs Millionen Menschen sind betroffen. Mit Massentests und Reisehinweisen wird versucht, die Verbreitung der Delta-Variante zu bekämpfen. Im ehemaligen Hotspot Bolton, wo im Mai die höchste Rate an neuen Fällen in Grossbritannien registriert wurden, konnte dadurch die Zahl der Neuinfektionen erfolgreich verlangsamt werden. Mittlerweile gelten für 28 Stadtbezirke im Nordwesten Englands solche Richtlinien, darunter in Lancashire und Greater Manchester, wo auch das Militär zur Unterstützung hinzugezogen wurde. Birmingham und Bedfordshire könnten laut «Mirror» die Nächsten sein, die Hilfe bei der Bekämpfung der Delta-Variante benötigen.

Derweil versucht das Land, die Bevölkerung so rasch wie möglich durchzuimpfen. Grossbritannien hat bereits 41 Prozent seiner Bevölkerung vollständig immunisiert. Fast 60 Prozent haben mindestens eine Dosis bekommen – mehr als in jedem anderen Land Europas. Diese Woche fiel der Impfstartschuss auch für 25- bis 29-Jährige. Die Impfbereitschaft fiel dabei rekordverdächtig hoch aus: Zum ersten Mal wurden mehr als eine Million Impftermine an einem Tag gebucht.

Laut Ferguson würde eine Verschiebung der vollständigen Öffnung einen Unterschied machen, da dies «mehr Menschen erlauben würde, eine zweite Dosis zu bekommen». Gleichzeitig warnte Ferguson davor vor einer zu langen Verzögerung der Lockerungen. «In zwei oder drei Wochen werden wir in einer besseren Position sein, um diese Schätzungen zu verfeinern und zu sagen, was wir erwarten», sagte Ferguson.