Analyse zu «The Super Mario Bros. Movie»Jetzt zapft das Kino unsere Nostalgie für Produkte an
Spielkonsolen, Turnschuhe, Barbiepuppen: Hollywood macht gerade Millionen mit Filmen über liebgewonnene Dinge. Die Handlung? Egal. Die Kritik sagt: «Kapitalismusporno».
Hollywood hat schon zahllose Geschichten über kleine Menschen erzählt, die etwas Grosses leisten. Aber selten war dieses Geschäftsmodell so erfolgreich wie beim Animationsfilm «The Super Mario Bros. Movie», der seit zwei Wochen in ziemlich jedem Multiplex läuft. Schon nach den ersten Tagen hatte der Film in den USA und Kanada fast 205 Millionen Dollar eingespielt, gekostet hat er etwa 100 Millionen. In der Schweiz haben ihn bisher über 120’000 Leute gesehen, und inzwischen hat der Trickfilm weltweit 700 Millionen verdient.
Auch wenn das Abenteuer der Klempner Mario und Luigi, die von Brooklyn ins Reich der Pilze gespickt werden, keine guten Kritiken erhalten hat, sind Eltern und Kinder begeistert. Auch der Nostalgiefaktor spielt eine Rolle. In den nordamerikanischen Kinos war gut ein Viertel des Publikums über 35 Jahre alt.
Hollywood hat einen Warenfetisch
Der japanische Hersteller Nintendo hatte das Videospiel in den 80er-Jahren lanciert; zu dieser Zeit sind auch die Regisseure des Super-Mario-Films, Aaron Horvath und Michael Jelenic, aufgewachsen. Wer dieser Generation angehört, ist in der Regel nicht daran vorbeigekommen, auf irgendeiner Konsole «Super Mario Kart» zu daddeln.
Wovon «The Super Mario Bros. Movie» handelt, ist eigentlich egal. Es geht um das Gefühl, dass dieses globalisierte Marketingprodukt auslöst. Es ist das Gefühl von Kinderzimmer, von Wärme und einer intimen Beziehung zu Controllern oder dicken Speichermodulen, die man in Spielkonsolen geschoben hat. Es sind Dinge zum Berühren, und derzeit scheint die amerikanische Filmindustrie sowieso einen regelrechten Warenfetisch zu haben.
Jüngst ist Ben Afflecks «Air» gestartet, der Spielfilm über den Sponsoringvertrag, den der Basketballer Michael Jordan in den 80ern mit Nike geschlossen hat, und den Air-Jordan-Schuh, der daraus entstanden ist. «Blackberry», ein Indie-Drama über den Aufstieg und rasanten Niedergang des Tastenhandys, war auf Filmfestivals zu sehen und erinnerte an die kurze Zeit, in der alle, die sich wichtig nahmen, auf ihren Blackberrys herumdrückten. Im Sommer kommt «Barbie», eine Neuinterpretation der Puppe aus feministischer Sicht – mitproduziert von Barbie-Hersteller Mattel.
Universal hat eine kräftige Werbekampagne rund um «The Super Mario Bros. Movie» lanciert. Schliesslich ist es wie alle anderen Studios auf der Jagd nach globalen Marken, die sich gewinnbringend auf die Leinwand bringen lassen. Das Zauberwort lautet hier «intellectual property», kurz IP, also geistiges Eigentum.
Unter Drehbuchautoren und Studiomanagerinnen in Hollywood hat IP mittlerweile eine eigene Bedeutung bekommen, es ist gleichbedeutend für alle möglichen Brands, die die Leute bereits kennen – seien es Games, Spielzeug, Comicfiguren oder Fernsehserien. Drehbücher, die mit einer solchen IP verknüpft sind, haben eine weit grössere Chance, verfilmt zu werden.
Auf Twitter fragen sich Kulturkritikerinnen und -kritiker inzwischen, weshalb wir im Kino nicht nur Videospielfiguren zuschauen müssen, sondern neuerdings auch noch schlabberigen Vertretern des mittleren Managements, die ihrem Unternehmen zu lukrativen Deals verhelfen. So ist es in «Air», ähnlich ist es im Drama «Tetris» auf Apple TV+, das die Entstehungsgeschichte des Puzzle-Games nacherzählt. «Trend Kapitalismusporno» nennt es ein Twitter-Nutzer.
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Bei allen Unterschieden stehen sowohl in «Air» als auch im Super-Mario-Film das Produkt und die Sehnsucht der Konsumenten im Zentrum. Das Objekt ist der Star: Der Air Jordan war so etwas wie die Initialzündung für die identitätsstiftende Kraft der Marke. Die Super-Mario-Spiele stehen für die Vorgeschichte der Digitalisierung, als man noch stundenlang Jump ’n’ Runs spielte, ohne Ablenkung durch Twitch oder Tiktok. Und beides ist eng verbunden mit der Haptik der Dinge. Mit dem Zeug, das wir haben wollten.
Auch die Schweiz kriegt bald eine Produkt-Filmbiografie. «Hallo Betty» schildert das Schicksal jener Werbetexterin, die in den 50er-Jahren Betty Bossi erfand, die Hausfrau der Nation. Angekündigt wird es als Biopic einer originellen Frau in der Männerwelt. Aber verkauft wird der Film bestimmt mit der Erinnerung an die Betty-Bossi-Spiralbücher, die irgendwann voller Flecken waren, weil man sie so oft in der Hand hatte.
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