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Risiko in der dritten Welle
Jetzt sind die Jüngeren die Gefährdeten

Während sich die älteste Bevölkerungsgruppe impfen lassen kann, müssen Jüngere noch warten. Dies könnte in der dritten Welle nochmals das Gesundheitssystem belasten.
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Pandemie besiegt, heisst es aus Israel. Die Infektionen gehen zurück, die Spitäler leeren sich, der R-Wert sinkt, der Frühling hält Einzug. Die Freude am Mittelmeer verführt auch in Mitteleuropa zu Wunschträumen einer Welt à la 2019. Weg mit dem Lockdown, runter mit den Masken, rein in die Beizen, wie schön wäre das. Doch während wir Israel oder China beim Feiern zusehen, dürfte für uns das Gegenteil nochmals der Fall sein: steigende Zahlen, mehr Spitaleintritte und ein zu hoher R-Wert.

Dass es so weit kommen würde, hat der deutsche Virologe Christian Drosten schon im Januar befürchtet. Er hat das Pandemiegeschehen bislang so gut vorausgesehen wie kaum ein anderer Experte in der Corona-Krise. Und schon vor zwei Monaten sagte er, dass wir den sorgenfreien Frühling im Anblick der Impferlösung noch verspielen könnten. Er empfahl damals einen noch schärferen Lockdown, um den R-Wert unter 0,7 zu kriegen und die Verbreitung von Covid-19 bis in den Frühling weitgehend zu stoppen. Das wäre dann die Grundlage für Öffnungen und einen Sommer wie 2020 gewesen. Denn 2021 werde gefährlicher als viele denken, mahnte Drosten.

Nur für die Ältesten sieht es gut aus

Jetzt wird langsam sichtbar, was er damit meinte und wovor auch die Schweizer Wissenschafts-Taskforce lange warnte. Durch die Impfungen sind die Ältesten und die besonders gefährdeten Personen mit Vorerkrankungen zwar bereits grösstenteils geschützt, doch nun wird die nächste Generation zur Zielscheibe des Virus. Die Babyboomer sind plötzlich die neue Risikogruppe, denn selbst wenn sie weniger oft im Spital und auf der Intensivstation landen als die Betagten, so werde in einer dritten Welle die schiere Masse an Erkrankten das Gesundheitssystem trotzdem wieder auf die Probe stellen, prophezeite Drosten schon im Januar. «Wenn sich ganz viele junge Menschen infizieren, dann sind die Intensivstationen trotzdem wieder voll, und es gibt trotzdem viele Tote», sagte der Virologe im Interview mit dem «Spiegel».

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Der aktuelle Trend gibt ihm recht, nicht nur in Deutschland, wo die Zahlen schon etwas länger steigen als in der Schweiz. Hier vermeldet das BAG nach einer längeren Stagnation seit dieser Woche wieder deutlich höhere Zahlen als in der Vorwoche, sowohl bei den Infektionen wie auch bei den Spitaleintritten – und dies rund 14 Tage nach dem ersten Öffnungsschritt des Bundesrats. Der R-Wert ist weit weg vom angestrebten Ziel von 0,8 und liegt sogar seit einem Monat schon über 1, was einem exponentiellen Wachstum entspricht. Gleichzeitig dominiert die britische Variante B.1.1.7 das Infektionsgeschehen, diese könnte nicht nur ansteckender, sondern auch gefährlicher sein als die bisherige Version von Sars-CoV-2.

Über 60-Jährige erst im Juli fertig geimpft

Noch ist es zu früh, um die Auswirkungen dessen bereits zweifelsfrei in den Zahlen zu sehen. Schon absehbar ist, dass die Ältesten ab 80 Jahren tatsächlich gut geschützt sind. Die Kurve zeigt bei ihnen nach unten, auch bei den Hospitalisierungen. Somit sind tatsächlich viel weniger Todesfälle zu erwarten, rund zwei von drei Corona-Toten fielen in diese Alterskategorie. Schon bei den 70- bis 79-Jährigen ist die Entwicklung aber eher als stabil zu bezeichnen, in dieser Altersgruppe sind noch sehr viele nicht geimpft. Und darunter nur die wenigsten.

Und das dürfte noch eine Weile so bleiben. Selbst wer sich einen Impftermin ergattern kann, braucht bekanntlich noch Geduld, bis der Impfschutz komplett ist. Dies ist erst eine Woche nach der zweiten Dosis der Fall, also rund fünf Wochen nach dem ersten Impftermin. Ein Onlinetool zeigt auf, was das für die jeweiligen Altersgruppen bedeutet, ausgehend von den offiziellen Plänen des BAG. Selbst für beispielsweise 72-Jährige geht es demnach bis Anfang Mai, bis sie nach der zweiten Spritze einen kompletten Schutz haben. Andere müssen noch länger warten, zum Beispiel müssen sich 63-Jährige gemäss dem inoffiziellen Tool bis im Juni gedulden, um überhaupt einen ersten Termin zu erhalten, vollständig geschützt sind sie dann wohl erst Mitte bis Ende Juli.

Der grosse Unterschied zu Israel

In Israel sind zwar erst 50 Prozent der Bevölkerung komplett geimpft – in der Schweiz sind es knapp 6 Prozent der Erwachsenen –, hingegen schon jetzt fast 90 Prozent der über 60-Jährigen. Und genau dies macht nun den Unterschied zwischen ausgelassenen Frühlingsfeiern oder dritter Welle aus – die in den meisten europäischen Ländern längst begonnen hat.

Denn in der Schweiz kommen die 63-Jährigen erst mit dem Rest der Bevölkerung an die Reihe, doch in ihrer Alterskategorie der 60- bis 69-Jährigen landen 7 von 100 positiv Getesteten im Spital, einer davon stirbt. Ein Teil von ihnen muss bis im Sommer mit diesem erhöhten Risiko leben, die ältere Hälfte noch bis Anfang Mai, wenn alle 65- bis 74-Jährigen und Jüngere mit Vorerkrankungen geimpft sein sollten.

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Aber selbst dieses Datum von Anfang Mai, wenn alle über 65-Jährigen geschützt sind nach dem Fahrplan des BAG, ist noch gefährlich weit weg. Nach einem Jahr Corona ist durch genug Beispiele belegt, was uns mit dem aktuellen R-Wert von 1,14 droht: Die Fallzahlen können sehr schnell sehr heftig eskalieren. Und je höher sie zu Beginn waren, je weiter schnellt die Kurve nach oben, so beobachtet im Herbst in Europa und in vielen Ländern auch nach Weihnachten, wo es praktisch senkrechte Linien nach oben zu bestaunen gab. In der Schweiz verdoppelten sich die Fallzahlen zu Beginn der zweiten Welle jede Woche. Und der 7-Tage-Schnitt ist derzeit mit 1360 rund dreimal so hoch wie Anfang Oktober 2020.

Älteste für Pandemie nicht massgebend

Wie es weitergeht, ist unklar, sicher ist, dass die Trumpfkarte Impfung noch nicht sticht oder erst in der Altersgruppe der über 75-Jährigen. Diese hat aber kaum Einfluss auf die Pandemie. Bis jetzt waren nur 13 Prozent oder knapp einer von acht Infizierten über 70 Jahre alt. Die Impfung der über 80-Jährigen oder sogar aller über 70-Jährigen wird die dritte Welle damit nicht massgebend bremsen.

Spitaleintritte und schwere Verläufe wird es weniger geben, aber es könnten trotzdem noch Tausende erkranken, was die Intensivstationen auch wieder belasten würde. Und Zehntausende weitere Personen könnten langfristige Folgen der Erkrankung spüren, Studien gehen davon aus, dass rund ein Viertel aller Infizierten an Long Covid leiden – sie spüren noch zwei Monate nach der Erkrankung deutliche Symptome, manche sind monatelang eingeschränkt.

Hoffnung bei Tests und Frühling

Die Schweiz hat aber noch einen Trumpf in der Hand: Testen, testen, testen mit Schnelltests, Selbsttests, PCR-Tests. Zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Apotheke, überall könnten wir theoretisch testen und somit genauer denn je zuvor wissen, ob wir infiziert sind und allenfalls tagelang unwissentlich das Virus verbreiten. Wenn die grosse Testoffensive läuft, wird das zuerst für noch höhere Zahlen sorgen, da mehr Fälle gefunden werden. Danach sollte die Kurve aber eigentlich wieder sinken. Doch die Zeit drängt, die dritte Welle baut sich längst auf, und Selbsttests sind für die Schweiz noch keine erhältlich. Ein Test-Powerplay ist das noch nicht.

Der Bundesrat muss trotzdem am Freitag über den zweiten Öffnungsschritt entscheiden. Die Lockerungsampel steht dabei auf Rot, die Impfungen entlasten zwar die Ältesten, haben aber noch zu wenig Einfluss, und wie gut die am Montag eingeführte neue Teststrategie die dritte Welle wirklich bremsen kann, ist schlicht noch nicht absehbar. Gleichzeitig ist die Bevölkerung erschöpft, die Geduld aufgebraucht, die wirtschaftlichen, psychischen und sozialen Effekte müssen auch berücksichtigt werden. Noch ist es zu früh für Feierszenen wie in Israel, noch ist die Pandemie in Mitteleuropa längst nicht besiegt. Eine letzte Hoffnung bleibt: der Frühling, die Rückkehr in die Wiesen und Wälder, mit Treffen auf der Terrasse und auf Sitzplätzen an der Sonne.

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