Unmut wegen WimbledonJetzt droht der grosse Tennis-Streit
Dass in England keine Russinnen und Weissrussinnen an Turnieren teilnehmen dürfen, sorgt für Kritik. Die Frauentour erwägt Gegenmassnahmen, Stars zeigen Unverständnis.
Die Frauentennis-Organisation WTA erwägt laut der französischen Sportzeitung «L’Equipe» Sanktionen gegen Wimbledon, weil die Turnier-Organisatoren russische und weissrussische Profis in diesem Jahr ausschliessen wollen. Dies berichtete die Zeitung am Donnerstagabend unter Berufung auf eine entsprechende E-Mail von WTA-Chef Steve Simon, die ihr nach eigenen Angaben vorliegt.
Darin verurteile der Amerikaner zwar den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Simon verweise aber auch darauf, dass noch nie einer Spielerin die Teilnahme an einem Turnier aufgrund der Handlungen ihrer jeweiligen Regierung verwehrt worden sei. Wimbledon begründete seine Entscheidung damit, dass es «inakzeptabel» sei, dass das russische Regime aus der Teilnahme seiner Athleten irgendwelche Vorteile ziehe.
Der am Mittwoch von den Veranstaltern verkündete Ausschluss verstosse gegen die Grand-Slam-Regeln und die Regeln der WTA, schreibt Simon. Als eine der möglichen Sanktionen nannte Simon, dass die in Wimbledon erspielten Weltranglistenpunkte nicht gewertet würden. In Madrid, wo ab der kommenden Woche ein grosses gemeinsames Turnier von Frauen und Männer stattfindet, solle in einer Sitzung, an der Turnierchefs, Vertreterinnen der Spielerinnen und der WTA teilnähmen, über die weiteren Schritte beraten werden.
All dies auch in Absprache mit der Männertennis-Organisation ATP, die die Sanktionen ebenfalls kritisierte. Sowohl die ATP als auch die WTA hatten es Athleten aus Russland und Weissrussland bislang erlaubt, unter neutraler Flagge zu spielen.
Auch Frauentennis-Ikone Billie Jean King, die vor knapp 50 Jahren entscheidend an der Gründung der WTA beteiligt war, äusserte sich ablehnend zum Wimbledon-Beschluss. «Ich kann den Ausschluss einzelner Athletinnen von Turnieren nur wegen ihrer Nationalität nicht unterstützen», schrieb die 78-Jährige bei Twitter. Stattdessen solle der Fokus auf der finanziellen Unterstützung der Ukraine liegen.
Djokovic nennt Sanktionen «verrückt»
Eine der deutlichsten Reaktionen auf die Entscheidung kam von Djokovic. «Crazy» nannte er das Vorgehen der Wimbledon-Veranstalter, «verrückt». Der Serbe konnte seine starke Meinung mit persönlichen Eindrücken untermauern: Djokovic sprach darüber, dass er selbst ein «Kind des Krieges» sei und daher wisse um das «emotionale Trauma, das das auslösen kann». Djokovic sagt: «Unter dem Krieg, und wir hatten viele Kriege hier auf dem Balkan, leiden immer die einfachen Menschen.» Er könne daher die Entscheidung von Wimbledon nicht unterstützen. Der sechsmalige Sieger an der Church Road stellt sich also auf die Seite der Spieler, die von der scharfen Massnahme betroffen sind, der Krieg sei schliesslich nicht deren Fehler.
Positiv aufgenommen wurde die Entscheidung hingegen von den ukrainischen Athletinnen und Athleten. Die topplatzierten Spielerinnen Elina Switolina und Marta Kostjuk sowie der aktuell in der Ukraine als Soldat stationierte Ex-Spieler Sergej Stachowski riefen zur Nachahmung auf. Aus ihrer Sicht ist der Ausschluss gerechtfertigt – und noch nicht genug: «Wir fordern, russische und weissrussische Athleten von der Teilnahme an jeder internationalen Veranstaltung auszuschliessen», schrieben sie. Russische Spielerinnen und Spieler hätten sich zum Grossteil nur vage zum Krieg geäussert, ihr Schweigen aber bedeute «Unterstützung für das, was passiert».
Klar positionierte sich indes die russische Spielerin Darja Kassatkina – die Weltranglisten-26. reagierte mit Verständnis auf den Ausschluss. «Es gibt grössere Dinge, die gerade in der Welt passieren. Das Leben von Menschen ist das Wichtigste», sagte die 24-Jährige am Donnerstag. Der russische Weltranglistenachte Andrej Rublew kritisierte die Entscheidung hingegen scharf. «Die Gründe, die sie uns genannt haben, machten keinen Sinn, sie waren nicht logisch», sagte er. «Was jetzt passiert, ist eine komplette Diskriminierung gegen uns.»
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DPA/Felix Haselsteiner
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