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Umweltbilanz der Jeans-Färberei
Blue Jeans ohne Gift: Forschende entwickeln neues Verfahren

In this photo taken Tuesday, Feb. 19, 2019, a craftsman dyes cloth with indigo in one of the ancient dye pits of Kofar Mata in Kano, northern Nigeria. The dye pits were founded in 1498 and are said to be the last ones of their kind but some of the craftsmen grumble about competition from Chinese fabrics that have entered the markets and sell for half the price. (AP Photo/Ben Curtis)
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Die ausgewaschenen Jeans im klassischen Blue Denim kehren zurück: «Sie strahlen Retrofeeling aus und fügen sich perfekt in das Motto 2024 ein: Es wird lässig und cool und klassisch», behauptet zum Beispiel die Onlineausgabe des «Stern».

Der Trend hat allerdings eine Schattenseite: Blue Denim wird derzeit mit dem intensiv blauen Farbstoff Indigo gefärbt. Dessen Herstellung verursacht erhebliche CO₂-Emissionen, und es kommen grosse Mengen giftiger Chemikalien zum Einsatz. Wenn man bedenkt, dass jedes Jahr rund vier Milliarden Jeans gehandelt werden, dann ist deren Umweltbelastung durchaus substanziell.

Verbesserung verspricht nun eine mildere Methode, bei der Indigo direkt im Garn hergestellt wird, und zwar mithilfe von Indikan, einem farblosen Vorprodukt von Indigo. Indikan macht die Verwendung aggressiver Chemikalien überflüssig und endet dennoch als Indigo.

Auswirkung auf die Gesundheit der Bevölkerung

Mit dieser Methode liessen sich die mittels Lebenszyklusanalyse ermittelten Umweltauswirkungen des Färbens von Blue Denim gegenüber dem heutigen Verfahren um bis zu 92 Prozent reduzieren, berichten dänische und isländische Forschende um Ditte Welner von der Technischen Universität Dänemarks in der Fachzeitschrift «Nature Communications».

Die neue Färbemethode würde verhindern, dass in den Jeansfabriken arbeitende Menschen schädlichen Chemikalien ausgesetzt sind. Sie würde sich deutlich positiv auf die Lebensqualität und die Gesundheit in den Gemeinden in der Umgebung der Färbereien auswirken, da keine ätzenden Stoffe zum Einsatz kämen, schreiben die Forschenden. Zudem würde die Erzeugung von Giftmüll deutlich reduziert, wodurch die Verschmutzung des Grundwassers verringert und die umliegenden landwirtschaftlichen Böden geschont würden.

LOS ANGELES, CA - DECEMBER 15: Hailey Bieber is seen on December 15, 2022 in Los Angeles, California.  (Photo by Bellocqimages/Bauer-Griffin/GC Images)

Derzeit werden jährlich rund 50’000 Tonnen des tiefblauen Farbstoffs Indigo produziert, hauptsächlich für die Denim-Färbung, wie es in der Studie heisst. Um eine entsprechende Menge des Indigo-Vorprodukts Indikan bereitzustellen, setzen die Forschenden auf eine von ihnen verbesserte Variante eines Enzyms, das im Färberknöterich vorkommt, einer Indigo-produzierenden Pflanze. Mit diesem Enzym sei es möglich, Indikan in industriellem Massstab wirtschaftlich zu produzieren. Das sei «ein Verfahren mit geringen Auswirkungen auf die Umwelt und ohne nennenswerte soziale Folgen.»

Zwei Wege zur Umwandlung von Indikan in Indigo

In einem zweiten Schritt geht es darum, das in die Faser eingebrachte Indikan in den Farbstoff Indigo zu verwandeln. Zwei Methoden haben die Forschenden auf ihre gesamte Umweltbilanz hin untersucht: erstens die enzymatische Umwandlung von Indikan in Indigo und zweitens die Umwandlung mithilfe von LED-Licht – auch fotolytisches Färben genannt. 

«Unter den derzeitigen Bedingungen hat das fotolytische Färben das Potenzial, die Umweltauswirkungen des Färbens von blauem Denim um 73 Prozent zu reduzieren, verglichen mit 92 Prozent bei der enzymatischen Färbung», heisst es in der Studie.

Die CO₂-Äquivalent-Emissionen der heutigen Denim-Färberei liegen laut Co-Autor Sumesh Sukumara von der Technischen Universität Dänemarks bei 3,95 Megatonnen pro Jahr. Das sind rund 10 Prozent der jährlichen CO₂-Emissionen der ganzen Schweiz. Würde die neue Methode vollumfänglich eingesetzt, liesse sich der jährliche globale CO₂-Ausstoss durch das Färben blauer Jeans um 3,5 Millionen Tonnen verringern, also um fast 90 Prozent. 

Die Werte wurden auf der Grundlage des derzeitigen europäischen Strommix berechnet. Die Verwendung von 100 Prozent erneuerbarer Energie würde zu einer weiteren erheblichen Verringerung der Umweltauswirkungen führen, heisst es in der Studie. Die Forschenden gehen davon aus, dass eine geringere Umweltbelastung auch ein Anreiz wäre, das Färben blauer Jeans in westliche Länder zu verlagern. Das wiederum könnte die Transparenz der Lieferkette und die Nachhaltigkeit in der Textilindustrie verbessern.

Industrie hat Interesse an umweltfreundlichen Lösungen

Gemäss Studienautorin Welner stellen die geringfügig höheren Kosten der neuen Methode «kein grosses Problem dar, da die Kosten für das Färben nur einen kleinen Teil der gesamten Produktionskosten einer Jeans ausmachen». Ausserdem bestehe seitens der Industrie ein grosses Interesse an umweltfreundlichen Lösungen. «Viele industrielle Akteure haben ihre Bereitschaft bekundet, einen Kostenanstieg in Kauf zu nehmen, um ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern.»

Das Haupthindernis für die industrielle Umsetzung der neuen Methode besteht laut Welner vor allem darin, dass das Naturprodukt Indikan derzeit nicht in den erforderlichen Mengen verfügbar ist. «Der Aufbau von Produktionskapazitäten wird erhebliche Investitionen und Zeit erfordern», sagt Welner.

Ausserdem müsste die Geschwindigkeit der Produktion erhöht werden. So liege die Reaktionszeit bei der enzymgesteuerten Färbung derzeit noch bei Stunden, während es im derzeitigen industriellen Verfahren nur Minuten seien. «Zur industriellen Umsetzung müssten wir also entweder diesen Unterschied durch Forschung und Entwicklung beseitigen oder den industriellen Prozess erheblich überarbeiten», sagt Welner.

Bis es so weit ist, rät Welner den umweltbewussten Liebhabern von Blue Denim: «Kaufen Sie nur Secondhand – oder, wenn das nicht möglich ist, von Marken mit hohem Zertifizierungsgrad. Und waschen Sie Jeans nur selten.»

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