Umstrittenes JagdgesetzUmweltminister Rösti gibt den Wolf zum Abschuss frei
Ein Grossteil der Wölfe soll neu präventiv reguliert werden. Umweltverbände schäumen, Bauern atmen auf. Und der Kanton Wallis aktiviert bereits die Jäger.
Der Entscheid vom Mittwoch wurde von Jägerinnen, Beamten, Bäuerinnen und Umweltaktivisten mit Spannung erwartet. Nach Wochen der Unsicherheit, hitzigen Debatten um Entwürfe und Anpassungen herrscht nun Gewissheit: Der Wolfsbestand in der Schweiz soll massiv reduziert werden, um bis zu 70 Prozent. Und es wird schnell gehen. Die Verordnung tritt bereits auf diesen Dezember in Kraft.
Der Entscheid des Bundesamts für Umwelt ist nichts weniger als ein Paradigmenwechsel. Das war auch dem Chef bewusst. Bundesrat Albert Rösti erläuterte den Entscheid am Mittwoch in Bern persönlich.
«Nur so können wir effektiv die Scheu der Wölfe aufrechterhalten.»
So tritt laut dem Bundesrat «die präventive Rudelregulierung in Kraft». Das bedeutet, dass nicht – wie bisher – erst nach mehreren Nutztierrissen geschossen werden darf. Gefährliche Raubtiere können somit schneller und früher getötet werden. «Nur so können wir effektiv die Scheu der Wölfe aufrechterhalten», sagt Rösti.
Derzeit leben rund 300 Tiere in der Schweiz, der Grossteil in rund 30 Rudelverbänden. Nach der neuen Jagdverordnung können Jägerinnen und Jäger nun künftig legal über die Hälfte der Raubtiere schiessen. Vorgesehen ist, dass «in grossen Regionen mindestens drei Rudel erhalten bleiben müssen; in kleinen Regionen sind es zwei Rudel.»
Aufgerechnet auf die ganze Schweiz heisst das, dass mindestens zwölf Rudel hier existieren dürfen.
Exponentielles Wachstum
Bundesrat Albert Rösti betonte vor den Medien, dass er nichts gegen Wölfe habe. Die Tiere blieben gemäss der Berner Konvention geschützt. Daran werde sich auch nichts ändern. «Aber wir müssen das exponentielle Wachstum brechen – und zwar schnell.»
Noch 2020 gab es zwölf Rudel und rund 100 Tiere. Innerhalb von drei Jahren hat sich der Bestand verdreifacht. Allein im Kanton Graubünden wurden in diesem Jahr 46 Wolfswelpen gezählt.
Entsprechend haben sich die Risse von Schafen, Ziegen und Kälbern vervielfacht. Die Schäden besonders in der Alpwirtschaft wurden mit jedem Jahr grösser. Der Druck, den die Bauern auf die Behörden ausübten, ebenso.
SVP-Politiker Rösti betonte die Ausgewogenheit des Entscheids. So soll die eine Seite in der Vernehmlassung fünf Rudel gefordert haben, die Gegenseite 20. «Mit zwölf Rudeln sind wir also ziemlich in der Mitte.»
«Der Bundesrat handelt mit der neuen Jagdverordnung wider jegliche Logik.»
Umweltschutzverbände sehen das aber anders, für sie sind zwölf Rudel deutlich zu tief angesetzt. Von Ausgewogenheit wollen sie nichts wissen. Jonas Schmid vom WWF sagt: «Der Bundesrat handelt mit der neuen Jagdverordnung wider jegliche Logik.»
Der Entscheid zeuge von fehlendem Verständnis für den Artenschutz und das Zusammenspiel von Alpwirtschaft, Wildtieren und Wald. Für Schmid ist die Verordnung ausschliesslich landwirtschaftlich motiviert.
Kantone sind gefordert
Auch die Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft bedauert den Entscheid und sieht den Bestand bei zwölf Rudeln als gefährdet an. Zudem werde ein falsches Signal ausgesandt: «Eine derartige Reduktion der Wölfe in der Schweiz ist im kurzen Regulationsfenster von Dezember 2023 und Januar 2024 technisch nicht möglich», teilt die KWL mit.
Bundesrat Albert Rösti betonte, dass nun die Kantone gefordert sind. Sie müssen den Entscheid umsetzen. Und zwar schnell.
Im Kanton Graubünden wollen sie nächste Woche ein Regulationsgesuch einreichen. Arno Puorger vom Amt für Jagd und Fischerei sagt: «Grundsätzlich soll bei Bedarf auf die Unterstützung der Jägerinnen und Jäger bei der Regulation des Wolfsbestandes zurückgegriffen werden.»
Klar ist, dass dies im Wallis geschehen wird. Ein Formular der Behörde zirkuliert derzeit in Jägerinnen- und Jägerkreisen. Auf dem Dokument kann angekreuzt werden, welches Rudel ins Visier der Jägerinnen und Jäger genommen werden soll. Im Dezember soll es losgehen.
Im Dezember 2022 übernahm Albert Rösti das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation von der SP-Politikerin Simonetta Sommaruga. Rösti gilt als bauernnah. Knapp ein Jahr später macht der SVP-Mann beim Wolf nun also vorwärts. Und damit die Bauern glücklich.
Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, sagt: «Der Handlungsdruck ist enorm. Endlich wird nach Jahren der Blockade gehandelt.» Und dann beschreibt Egger noch seine Gefühlslage: «Ich bin vor allem eines: erleichtert.»
Er dürfte für einen Grossteil der bauernnahen Kreise sprechen.
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