Jacqueline Fehr nach Eklat im Kantonsrat«Es war eine sehr bewusste Eskalation»
In einem Interview erklärt die SP-Regierungsrätin, weshalb sie es an der letzten Parlamentssitzung eskalieren liess. Das lenke nur vom eigentlichen Problem ab, finden ihre Gegner.

- Die Justizdirektorin verteidigt ihre bewusste Eskalation im Streit mit der Geschäftsprüfungskommission (GPK).
- Sie habe damit erreichen wollen, dass über die Bedeutung der GPK gesprochen werde.
- Die Regierungsrätin räumt ein, die GPK-Arbeit zu wenig gewürdigt zu haben.
- Die GPK weist den Vorwurf zurück, sie habe sich auf die Justizdirektion eingeschossen.
Die Kantonsratssitzung vom vergangenen Montag hallt bis heute nach. Grund ist ein Eklat zwischen Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) und der Geschäftsprüfungskommission (GPK), der die letzte Parlamentsdebatte überschattet hat.
Jetzt stellt Fehr in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» klar, dass die Eskalation kein Zufall war. «Ich habe die Begriffe und Formulierungen mit Bedacht gewählt.»
Auslöser für den Eklat im Kantonsrat war der jährliche Tätigkeitsbericht der GPK, in dem die Kommission die einzelnen Direktionen unter die Lupe nimmt. Die Kommission ortete mehrere Mängel in Fehrs Justizdepartement. Unter anderem kritisierte sie die freihändige Vergabe einer Justiz-Software für 32,7 Millionen Franken an die Glaux Group, nachdem die Einführung der Software Juris X für 14,8 Millionen Franken gescheitert war. Der Bericht zu diesem Regierungsratsbeschluss ist bis heute nicht öffentlich.
Verschiedene GPK-Mitglieder kritisierten die «irritierende» und «inakzeptable» Kommunikation. Die Regierungsrätin bezeichnete die GPK wiederum als eine «Gruppe von Besserwissern» und sagte, bei der Kommission sei «der Wurm drin». Schnell ging es nicht mehr ums Inhaltliche, sondern um einen Schlagabtausch mit zahlreichen Zwischenrufen. Nach dem Intermezzo forderte die SVP den sofortigen Rücktritt von Fehr. Der «mangelnde Respekt vor dem Parlament» sei nicht länger haltbar.
«Ich bin bis 2027 gewählt»
Im Interview sagt Fehr jetzt: «Es war eine sehr bewusste Eskalation, sachlich, nüchtern und nicht emotional.» Auf die Frage, ob sie gerne provoziere, antwortet sie: «Ich gestalte gerne. Manchmal muss man den Stein vielleicht einmal ein wenig höher werfen, damit es Wellen gibt, die Aufmerksamkeit erzeugen.»
Doch wofür das Ganze? «Ich wollte, dass man über die Bedeutung der GPK spricht», begründet sie ihre umstrittene Rede. Deren Befunde hätten für ihre Direktion nämlich einen hohen Stellenwert. «Ich nehme die GPK ernst», sagt sie. Sie vertraue nun darauf, dass sich die GPK im Gegenzug auch mit ihrer Kritik auseinandersetze.
Die Kritik, die Fehr im Interview äussert, ist in weiten Teilen dieselbe wie an der Ratsdebatte. Durch die Berichte entstehe das Gefühl, dass Fehrs Justizdirektion mehr Probleme habe als andere. «Dafür gibt es keine objektiven Hinweise. Das zeigen auch die Berichte der Finanzkontrolle, die alle Direktionen ziemlich gleichmässig kritisieren», sagt sie.
Die gute Zusammenarbeit habe in diesem Fall zudem geharzt, weil die Berichte der GPK inhaltliche Mängel aufweisen würden. Welche das sind, sagt sie nicht, sondern lediglich: «Wir sind darauf angewiesen, dass wir korrekt und sachlich miteinander umgehen.»
Dass Fehr hingegen die Geschäftsprüfer als eine Gruppe von Besserwissern bezeichnet hat, bestreitet sie. «Ich habe nur gesagt: Wenn sie nicht sauber arbeiten, dann sind sie Besserwisser.»
Fehrs Rundumschlag befeuerte die Spekulation, dass ihre Zeit als Regierungsrätin bald zu Ende sein könnte. Als «Abschlusstirade» hat es ein Ratsmitglied bezeichnet. Auf die Frage, ob sie bald von der politischen Bühne abtrete, sagt sie im Interview kurz und knapp: «Ich bin bis 2027 gewählt.»
«Das hinterlässt einen schlechten Eindruck»
Einen Fehler gesteht Fehr ein. «Meine Kritik kam zu unvermittelt.» Die Arbeit der GPK habe sie zu Beginn des Votums zu wenig gewürdigt. Sie wolle der GPK nun die Hand für einen Neustart reichen.
Greift die GPK nach der ausgestreckten Hand? Jean-Philippe Pinto (Mitte) sagt am Sonntag: «Wir werden unsere Arbeit normal weiterführen. Die GPK wollte nie einen Konflikt.» Die Kommission habe stets sachlich argumentiert. Dass sich die Kommission auf die Justizdirektion eingeschossen habe, weist er zurück. «Die GPK wählt jedes Jahr gewisse Schwerpunkte in ihrer Arbeit aus. Wir schauen uns jede Direktion im Rahmen der Oberaufsicht genau an. Der Bericht der GPK ist sehr umfangreich.» Dass Fehr eine bewusste Eskalation herbeiführte, findet Pinto schade. «Es hinterlässt für die Regierungstätigkeit und die Politik in unserem Kanton einen schlechten Eindruck.»
Rückendeckung erhält Fehr indes von ihrer eigenen Partei. SP-Co-Präsidentin Michèle Dünki-Bättig teilt Fehrs Eindruck, dass die Kommission sich bei der Prüfung auf die Justizdirektion eingeschossen habe. Dass die SVP nun Rücktrittsforderungen stelle, sei wenig überraschend. «Die stellen sie schon, seit Jacqueline Fehr im Amt ist.»
Die SVP hält an ihrer Rücktrittsforderung fest. Auch nach dem Interview sind bei ihr viele Fragen offen. Präsident Domenik Ledergerber sagt auf Anfrage: «Ich sehe noch nicht, was sie mit der Eskalation genau bezwecken wollte.» Er finde es schade, dass der Eklat von der eigentlichen Sache ablenke: der freihändigen Vergabe einer Software für über 30 Millionen Franken.
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