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Skandale in italienischer Regierung
Wenn die Mussolini-Büste das kleinere Problem ist

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Senatspräsident Ignazio La Russa an der Militärparade anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der Republik im Juni 2023.
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Giorgia Meloni ist in Vilnius beim Nato-Gipfel. Auslandsreisen häufen sich gerade bei der italienischen Ministerpräsidentin, obwohl es auch zu Hause in ihrer Koalition einiges zu tun gäbe. Tragende Figuren ihrer Koalition stehen teilweise seit Wochen im Feuer, die Chefin selbst hält sich mit Bewertungen bisher eisern zurück. Das ist ihr Politikstil: Die Probleme im eigenen Lager weglächeln und als Aussenpolitikerin Statur gewinnen. Fern der Heimat posiert sie mit Soldaten, umarmt ausländische Staats- und Regierungschefs und gibt sogar Medienkonferenzen, etwas, das sie in Italien meidet.

Ihr grösstes Problem zurzeit ist einer ihrer engsten Vertrauten, Ignazio La Russa, der Präsident des Senats, der zweiten Parlamentskammer. Mit ihm hat sie 2012 die Fratelli d’Italia gegründet, eine Partei, die in der Tradition des Faschismus steht und die Vergangenheit nicht hinter sich lassen will. Namentlich La Russa ist bekennender Fan von Benito Mussolini, auf seine Büste des Duce ist er stolz. Während Meloni sich, seitdem sie im Amt ist, eiserne Disziplin auferlegt und viele ihrer extremen Aussagen aus dem Wahlkampf nicht mehr wiederholt, kann sie bei La Russo nie ganz sicher sein, was er wieder für eine Bemerkung raushaut.

K.-o.-Tropfen und Vergewaltigung?

Als sei das nicht schon belastend genug, hat der 75-jährige La Russa jetzt mit einer ernsten Affäre seines Sohns zu kämpfen. Der 22-Jährige wird von einer gleichaltrigen Frau beschuldigt, sie in der Nacht zum 19. Mai in der Mailänder Wohnung der La Russas vergewaltigt zu haben. Die beiden jungen Menschen hatten sich in einer Diskothek getroffen, die Frau gibt an, sich nach einem Drink an nichts erinnern zu können, am nächsten Morgen aber sei sie nackt und mit Verletzungen im Bett des Sohns aufgewacht. Ihr Anwalt hat den Verdacht ins Spiel gebracht, dass K.-o.-Tropfen verabreicht worden sein könnten.

Sein 22-jähriger Sohn soll eine Frau vergewaltigt haben: Ignazio La Russa, Präsident des italienischen Senats, der mit Giorgia Meloni die Fratelli d’Italia gegründet hat.

Vater La Russa hält zu seinem Sohn, der von einvernehmlichem Sex spricht, allerdings hat der Politiker öffentlich die Glaubwürdigkeit der Frau infrage gestellt. Er sei ihr am fraglichen Morgen in der Wohnung begegnet, und da habe sie einen entspannten Eindruck gemacht, ausserdem mache ihn misstrauisch, dass sie am Abend Kokain konsumiert habe, und überhaupt habe sie viele Tage gewartet, bevor sie die angebliche Tat angezeigt habe.

Was immer am Ende stimmt, es klingt nach der üblichen Verteidigungslinie, das Opfer zum Täter zu machen. Und das aus dem Mund des zweithöchsten Repräsentanten im Staat, das empört nicht nur die Opposition. Diese aber vor allem: Oppositionsführerin Elly Schlein nennt La Russas Reaktion «widerwärtig».

Verdacht von betrügerischem Konkurs und Bilanzfälschung: Daniela Santanchè, Tourismusministerin.

Meloni aber schweigt, und sie schweigt auch zu den Vorwürfen gegen ihre Tourismusministerin Daniela Santanchè, eine überaus selbstbewusste Unternehmerin und langjährige Politikerin, deren Firmen heute teilweise in wirtschaftlicher Not sind. Es laufen Ermittlungen wegen des Verdachts von betrügerischem Konkurs und Bilanzfälschung. Die im Jetset erprobte Santanchè, die «Python» genannt wird, weist die Vorwürfe vehement zurück und kämpft energisch um ihren Ruf, allerdings wirkt das von Tag zu Tag verzweifelter.

Vorwurf der Homophobie gegen Sportminister

Neu dazugekommen ist die Aufregung um den Minister für Sport und Jugend, Andrea Abodi. Der frühere Fussballfunktionär äusserte sich kritisch über den Fussballer Jakub Jankto, der sich vor einigen Monaten als erster Spieler der obersten Klasse zu seiner Homosexualität bekannt hatte. «Wenn ich ganz ehrlich bin, dann mag ich es nicht, wenn man sich zur Schau stellt», sagte er dazu, was ihm von seinen politischen Gegnern prompt den Vorwurf der Homophobie einbrachte.

Und immer noch schwelt die Affäre um den Justizstaatssekretär Andrea Delmastro, der vertrauliche Dokumente an Parteifreunde weitergegeben haben soll, um sie für Debatten im Parlament zu munitionieren. Im Umfeld dieser Skandale gibt es viele Gerüchte und viel Gerede, und obendrein wird das Ganze verknüpft mit den umstrittenen Plänen der Regierung für eine Justizreform, die die Hürden für Strafverfolger höher legen soll und die in den kommenden Wochen in die heisse Beratungsphase geht.

In dieser Situation sucht Ministerpräsidentin Meloni ganz offensichtlich noch ihren Kurs. Sie wagte es bisher nicht, wenn sie es denn wollte, ihre engsten Mitstreiter vor den Kopf zu stossen, sie weiss aber auch, dass an der Seitenlinie der Chef der rechtspopulistischen Lega, Vizepremier Matteo Salvini, darauf lauert, Vorteile aus der Situation ziehen zu können. Meloni hatte die Parlamentswahlen im vergangenen Oktober überraschend deutlich gewonnen und die bis dahin erfolgsverwöhnten Parteien von Salvini und dem verstorbenen Silvio Berlusconi regelrecht deklassiert. Ausweislich der Umfragen hält Meloni diesen Vorsprung bisher, aber sie wird trotzdem aus der Deckung kommen müssen.