Sensationelles Mixed-Gold Italien hat Calcio, Cappuccino und seit Dienstag sogar Curling
Curling war in Italien bisher ähnlich populär wie Bob in Jamaika. Am Dienstag sind die Azzurri in Peking auf die grosse Bühne gestürmt. Zentral: ihr Erfolgscoach aus dem Kanton Zug.
«War Stefania nicht Verkäuferin in einem Kleidergeschäft, bevor sie Curlingprofi wurde?» «Doch, ich glaube schon, und Amos spielt im Sommer Beachvolleyball.» Es war hektisch gegen 22.30 Uhr Ortszeit in der Mixed Zone des National Aquatics Centre und die italienischen Journalisten machten gegenseitig einen Crashkurs in Sachen Curlingwissen. Verantwortlich für die Aufregung: Stefania Constantini und Amos Mosaner. Zu ihren Ehren war gerade die «Inno di Mameli» erklungen, die grossartige Nationalhymne. Gegen 30 italienische Medienvertreter waren zugegen. «Es ist ein historischer Moment für die italienische Curlingbewegung», sagte Claudio Pescia, Co-Trainer des Teams und Chef der Männerequipe.
Dank ihm darf sich auch die Schweiz mitfreuen. Pescia ist seit drei Jahren ein Eckpfeiler des italienischen Curlings, dies, nachdem er noch in Pyeongchang als Trainer der Equipe von Peter De Cruz Bronze für die Schweiz gewonnen und sich dann für eine neue Herausforderung entschieden hatte. Mosaner sagt es so: «Er hilft uns mit seiner Erfahrung sehr.»
Bisherige Curling-Bestmarken für Italien waren einige EM-Bronzemedaillen, aber normalerweise schafft es die Disziplin in den italienischen Gazetten nicht einmal in die Resultatspalten, auch nicht in 6-Punkt-Schrift. Am Dienstagabend war Curling der Aufmacher auf der Frontseite der Onlineausgabe der «Gazzetta dello Sport». Sogar die abendliche Rückkehr von José Mourinho ins Giuseppe Meazza – im Cup mit der AS Roma bei Inter Mailand – wurde verdrängt. «Ich hoffe, dass dieser wunderbare Sport nun mehr Beachtung findet», sagte Constantini und lachte unter der Maske mit dem Edelmetall um die Wette.
500 Spieler, 3 Hallen – und Olympia vor der Tür
Natürlich: Es wird rund um die Piazza Navona in Rom vorderhand keine Staus wegen Curling-Autokorsos geben, aber mit einem Schub darf man schon rechnen. Das ist allerdings auch nicht schwierig: Wohl nicht einmal ganz 500 Personen frönen dem Spiel bis jetzt im Land, davon sind rund 30 in Elitekadern zusammengefasst – inklusive Nachwuchs. Zum Vergleich: Kanada steuert auf die 2-Millionen-Grenze an Spielern zu. Ein weiteres Handicap: Es gibt genau drei Hallen – in Cortina d’Ampezzo, Cembra und Pinerolo. Es sei einer der Punkte, wo es anzusetzen gelte, sagt Pescia: «Die Infrastruktur muss unbedingt besser werden, und dann wäre es wichtig, auch Kurse für die ganz Kleinen anzubieten.»
Pyeongchang-Silbermedaillengewinner Martin Rios, der mit seiner Partnerin Jenny Perret diesmal früh ausgeschieden war, hatte kurz nach Turnierbeginn gesagt, im Mixed-Curling könne alles passieren. Doch dies dürfte er damit nicht gemeint haben, es ist eine der grössten Sensationen der jüngeren Sportgeschichte. «Es ist vielleicht ähnlich, wie als Griechenland 2004 Fussball-Europameister wurde», sagt Pescia. Der Vergleich stimmt nicht ganz: Im Gegensatz zu Otto Rehhagels «Catenaccio-Truppe» zündete das italienische Team ein Feuerwerk. Neun Siege in neun Spielen in der Vorrunde, 8:1 im Halbfinal gegen Schweden, 8:5 im Final gegen Norwegen.
Pescias Vater stammt aus der Gegend von Lugano, seine Mutter aus dem Trentino, gelebt hat er lange im Kanton Zürich, nun hat er sein Domizil im beschaulichen Unterägeri. Für Trainingslager reist er nach Italien, zusätzlich ist er selbstständiger Vermögensverwalter. Sportlich ist es nicht sein erster Nationenwechsel. In den Neunzigerjahren spielte er für die italienische Nationalmannschaft, später lange Jahre für die Schweiz, als Third in der Equipe vom heutigen Missionschef Ralph Stöckli. 2003 gewann er für die Schweiz WM-Silber, und auch in Turin trug er Rot-Weiss.
«50:50» sei er, halb Italiener, halb Schweizer, aber nun gehöre sein Herz natürlich Italien. Das wird mindestens bis 2026 so sein. Dann gastiert der Olympiatross in Mailand und Cortina d’Ampezzo, die Curlingpartien werden in der Skistation und Heimat von Constantini ausgetragen. Wohl mit grösserem Interesse als bisher.
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