Angriffe auf GesundheitspersonalItalienische Spitäler rufen nach Polizeischutz
Die Gewalt gegen Ärzte und Pflegende häuft sich, in einem Spital gabs drei Fälle innert weniger Tage. In Notfallstationen geht die Angst um.
In einem Spital im süditalienischen Foggia kam es innert weniger Tage gleich zu drei Angriffen gegen Angestellte des Spitals. Der schwerwiegendste Vorfall ereignete sich vor einer Woche nach dem Tod einer 23-jährigen Patientin, als rund 50 Familienangehörige und Verwandte in das Spital stürmten.
In den sozialen Medien verbreitete Videos zeigen, wie sich Ärzte und Pflegerinnen in einem Raum verbarrikadieren, indem sie Möbelstücke gegen die Tür schieben, um den Angriff abzuwehren. Laut Medienberichten erlitten einige Spitalangestellte leichte Verletzungen. Die Angreifer gaben den Ärzten die Schuld am Tod der jungen Frau, die bei einer Notoperation starb.
Bei zwei weiteren Gewalttaten im selben Spital attackierte ein 18-jähriger Patient drei Krankenschwestern in der Notaufnahme, und der Sohn eines Patienten schlug zwei Pflegerinnen und einen Wachmann, ebenfalls in der Notaufnahme. Spitaldirektor Giuseppe Pasqualone wandte sich an die Öffentlichkeit und drohte mit der Schliessung der Notaufnahmestation.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die Häufung der Gewalt im Spital in Foggia ist Zufall, reiht sich aber ein in eine Serie von Angriffen gegen Mitarbeitende in Gesundheitsberufen in Italien. In den letzten Tagen wurden zwei weitere körperliche Angriffe aus der Provinz Neapel gemeldet. Letzten Monat gab es eine Gewalttat in einem Spital in Palermo. Die Beispiele aus ganz Italien liessen sich fortsetzen. Das Problem der Gewalt gegen Ärzte und Pflegepersonal ist nicht neu. Im Gegenteil, es hat sich verschärft.
Über 16’000 Angriffe im letzten Jahr
Antonio De Palma, Vorsitzender der Gewerkschaft Nursing Up, äusserte sich laut italienischen Medienberichten schockiert über die Zunahme der Gewalt: «Wir haben noch nie ein solches Mass an Gefahr und Aggressivität erlebt.» Er forderte die Regierung in Rom auf, sich mit diesem ernsthaften Problem auseinanderzusetzen. «Es ist dringend nötig, den Einsatz der Armee in Gesundheitseinrichtungen in Betracht zu ziehen. Wir können nicht länger warten.» Auch der Verband der Krankenschwestern verlangte den Einsatz von Militär und Polizei. Der Forderung schloss sich zudem der Ärzteverband an.
Nach Angaben des italienischen Gesundheitsministeriums gab es im vergangenen Jahr über 16’000 verbale und körperliche Angriffe gegen medizinisches Personal in den Spitälern. Und letztes Jahr wurde ein 62-jähriger Mann zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er vor einem Mailänder Spital einen Arzt mit einer Axt getötet hatte, da die von diesem verschriebenen Behandlungen seiner Meinung nach nutzlos gewesen seien.
Vor allem Notfallmedizin ist stark unterbesetzt
Ursache für einen grossen Teil der Übergriffe sind gemäss allgemeiner Einschätzung der Personalmangel in den Spitälern sowie die Frustration von Patienten und Angehörigen über die daraus resultierenden langen Wartezeiten für Operationen und Untersuchungen.
Nach Angaben von Medizinergewerkschaften fehlen in Italien etwa 30’000 Ärztinnen und Ärzte, Personalmangel herrscht auch in der Pflege sowie in anderen Spitalbereichen. Vor allem die Notfallmedizin ist stark unterbesetzt. Dazu kommt, dass innert zehn Jahren über 110 Spitäler und ebenso viele Notaufnahmestationen geschlossen wurden. Die Sparpläne der Meloni-Regierung sehen weitere Kürzungen im Gesundheitswesen vor.
Nach den jüngsten Gewaltexzessen plädiert die Italienische Föderation der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaften für Sanktionen gegen Personen, die Mitarbeitende des Gesundheitswesens angreifen oder Gesundheitseinrichtungen beschädigen. Diesen Leuten soll der kostenlose Zugang zur medizinischen Versorgung für drei Jahre gesperrt werden.
Angst vor Gewalt vertreibt Mitarbeitende
Im Spital in Foggia, das zuletzt in die Schlagzeilen geriet, warnt der Direktor Giuseppe Pasqualone laut Medienberichten, es bestehe die echte Gefahr, «dass wir die Notaufnahme schliessen müssen, weil die Zahl der Ärzte, Krankenschwestern und des Gesundheitspersonals weiter schrumpft.» Und dies könne die Schliessung weiterer Spitalabteilungen nach sich ziehen.
Pasqualone bittet Patienten und ihre Familien um Geduld. Dabei sollten sie bedenken, «dass unsere Leute unter enormem Stress arbeiten, der durch den weitverbreiteten Mangel an Fachpersonal verursacht wird, ähnlich wie in vielen anderen italienischen Spitälern». Und weiter: «Wenn wir dazu noch die Angst unserer Mitarbeitenden hinzufügen, riskieren wir, noch mehr Leute zu verlieren, die bereit sind, in unserem Spital zu arbeiten.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.