Pandemie-ManagementIst die Schweiz für den dritten Corona-Herbst gewappnet?
Deutschland hat neue Corona-Massnahmen beschlossen. Was erwartet die Schweizer Bevölkerung?
Die Sommerwelle ebbt ab. Doch im Herbst dürften die Corona-Fälle wieder zunehmen. In Deutschland hat die Regierung deshalb diese Woche beschlossen, die Schutzmassnahmen zu verschärfen. Ab Oktober gilt eine Maskenpflicht nicht nur in Fernzügen und Flugzeugen, sondern auch in Gesundheitseinrichtungen und Pflegeheimen. Die Bundesländer können weitergehende Massnahmen ergreifen, etwa eine Maskenpflicht an Schulen. In der Schweiz ist das derzeit kein Thema. Die Behörden bereiten aber ebenfalls mögliche Schritte vor.
Mit welcher Entwicklung rechnet der Bund?
Momentan sei es noch zu früh für eine Einschätzung, schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Saisonal bedingt ist wieder mit steigenden Fallzahlen zu rechnen. Sofern keine neuen Virusmutationen auftauchen, ist die Situation nach Einschätzung von Experten aber nicht vergleichbar mit jener im Herbst 2020 und 2021: Inzwischen erkranken weniger Menschen so schwer, dass sie ins Spital müssen. Allerdings nimmt der Schutz vor schwerer Erkrankung einige Monate nach der letzten Impfung ab.
Wird es auch in der Schweiz neue Massnahmen geben?
In der Schweiz sind vorerst keine Massnahmen geplant. Zuständig wären die Kantone: Sollte eine Überlastung der Gesundheitsversorgung drohen, würde die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) den Kantonen Massnahmen empfehlen. Auch das BAG könnte Empfehlungen zuhanden der Kantone abgeben. Die einzelnen Kantone könnten verbindliche Massnahmen ergreifen.
Welche Massnahmen stehen zur Diskussion?
Spitzt sich die Lage zu, kämen laut GDK wohl zunächst Verhaltensempfehlungen wie Hygiene- und Abstandsregeln sowie das Maskentragen in bestimmten Situationen infrage. Das Hauptziel bleibt, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern, damit keine Massnahmen nötig sind, die das öffentliche Leben erheblich einschränken.
Könnte wieder die «besondere Lage» ausgerufen werden?
Der Bund wäre nur dann für Massnahmen zuständig, wenn wieder die «besondere Lage» ausgerufen würde. Für den Bundesrat kommt das nur noch bei einer «besonders heftigen Pandemiewelle» infrage. Aus Sicht der GDK und einer Mehrheit der Kantone ist die Hürde damit zu hoch gesetzt. Gerade bei einer Massnahme wie der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr liessen sich kantonal unterschiedliche Regeln kaum verständlich vermitteln und umsetzen, sagt GDK-Sprecher Tobias Bär. Ob diese Frage überhaupt relevant wird, hängt aber von zukünftigen Virusvarianten, der damit verbundenen Krankheitslast und der Wirksamkeit der Impfstoffe ab.
Wer sollte sich wann erneut boostern lassen?
Derzeit ist die zweite Auffrischimpfung nur für über 80-Jährige und Immungeschwächte vorgesehen. Im Herbst dürfte allen Personen ab 16 Jahren eine weitere Auffrischimpfung empfohlen werden – besonders aber den über 65-Jährigen sowie Personen mit Vorerkrankungen, die ein höheres Risiko haben, schwer zu erkranken. Swissmedic prüft zurzeit angepasste Impfungen, die nicht nur vor schwerer Erkrankung, sondern auch besser vor einer Infektion mit Omikron schützen sollen. Die Behörden rechnen damit, dass diese im Herbst zugelassen werden.
Wie viele Menschen haben den zweiten Booster schon erhalten?
Die zweite Auffrischimpfung wird Immungeschwächten seit dem 23. Mai und über 80-Jährigen seit dem 5. Juli empfohlen. Bis Anfang August haben sich 91’166 Personen den zweiten Booster verabreichen lassen, wie das BAG auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA meldete. Davon sind 54’686 Personen 80 Jahre alt oder älter. Damit haben lediglich rund 12 Prozent dieser Altersgruppe die zweite Auffrischimpfung erhalten. Der oberste Kantonsarzt, Rudolf Hauri, sagte gegenüber Radio SRF, das Interesse sei geringer als erhofft.
Sind die Seniorinnen und Senioren impfmüde? Oder wollen sie den angepassten Impfstoff abwarten?
Aus Sicht des BAG ist es zu früh für solche Fragen. Seit der Impfempfehlung sei wenig Zeit vergangen, gibt das Amt zu bedenken. Von der Empfehlung bis zu den Impfungen dauere es einen Moment. Ausserdem werde im Sommer allgemein eher weniger geimpft. Pro Senectute rechnet ebenfalls damit, dass sich in den kommenden Wochen noch mehr Menschen erneut boostern lassen. Hinweise auf Impfmüdigkeit gebe es nicht. Bei Fragen könnten sich Seniorinnen und Senioren an die Infoline von Pro Senectute wenden, sagt Sprecherin Tatjana Kistler.
Welche Rolle spielt Long Covid?
Betroffene kritisieren immer wieder, in den Erwägungen der Behörden werde das Risiko von Long Covid zu wenig berücksichtigt. Das BAG hält fest, die wissenschaftliche Datenlage lasse keine endgültigen Aussagen zu Häufigkeit und Ausprägung von Langzeitfolgen einer Corona-Infektion zu. Der allergrösste Teil der Betroffenen erhole sich jedoch nach spätestens zwölf Monaten. Die bisherigen Ergebnisse legten nahe, dass nur eine kleine Gruppe von Infizierten über einen längeren Zeitraum hinweg schwere Symptome zeige.
Fehler gefunden?Jetzt melden.