Neuwahlen in IsraelIsraels Regierung ist gescheitert
Die Acht-Parteien-Koalition ist am Ende. Die Auflösung des Parlaments soll in der nächsten Woche den Weg zur Neuwahl freimachen.
Israels Regierung gibt auf. Am Montagabend verständigten sich Premierminister Naftali Bennett und Aussenminister Jair Lapid auf eine Auflösung des Parlaments und eine baldige Neuwahl. Lapid soll, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, von Bennett das Amt des Premierministers übernehmen und bis zur Bildung einer neuen Regierung innehaben. Die im vorigen Sommer gebildete bunte Koalition aus rechten, linken und einer arabischen Partei ist damit nach nur gut einem Jahr gescheitert.
Die Ankündigung zur Knesset-Auflösung per Abstimmung in der nächsten Woche steht am Ende einer wochenlangen politischen Agonie. Die Koalition hatte schon im April ihre Mehrheit verloren mit dem Auszug einer Abgeordneten aus Bennetts rechter Jamina-Partei. Seither herrschte im Parlament ein Patt. Dies hatte Abgeordnete aus verschiedenen Koalitionsparteien immer wieder dazu verleitet, die Regierung mit Rückzugsdrohungen zu erpressen. Nun haben Bennett und Lapid offenbar gemeinsam die Reissleine gezogen.
Gescheitert ist damit das bei der Regierungsbildung angekündigte Ziel, wieder Stabilität in Israels Politik zu bringen. Bevor die 8-Parteien-Koalition gebildet wurde, hatte das Land eine Phase der politischen Blockade mit vier Wahlen innerhalb von zwei Jahren hinter sich gebracht. Verantwortlich dafür war vor allem Langzeit-Premier Benjamin Netanyahu, der bedrängt von einem noch laufenden Korruptionsprozess um seine Macht kämpfte. Die gemeinsame Gegnerschaft zu Netanyahu führte am Ende zur Bildung der ideologisch äusserst unterschiedlichen Koalition. Nun aber muss aller Voraussicht nach erneut gewählt werden. Als wahrscheinlicher Termin wird der 25. Oktober genannt.
Bitter für Bennett
Netanyahu, der als Oppositionsführer die Regierung unter permanentem Druck gehalten hatte, rechnet sich nun Chancen auf eine schnelle Rückkehr an die Macht aus. Umfragen zeigen seine Likud-Partei im Aufwind. Unklar aber ist, ob er gemeinsam mit seinen Partnern im rechten und religiösen Lager tatsächlich eine Mehrheit zur Regierungsbildung zustande bringt. Wenn nicht, könnte sich der vor drei Jahren begonnene Reigen von Wahlen auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Völlig auszuschliessen ist es allerdings auch nicht, das Netanyahu in den Tagen vor der geplanten Abstimmung zur Knesset-Auflösung noch genügend Abgeordnete auf seine Seite zieht, um im bestehenden Parlament eine neue rechte Regierung unter seiner Führung zu bilden.
Bitter ist der Zerfall der Regierung vor allem für den bisherigen Premier Bennett, der im zurückliegenden Jahr einen bemerkenswerten Balanceakt geschafft hat. Seine Jamina-Partei, deren Wählerklientel vor allem aus Siedlern besteht, verfügte zu Beginn nur über sechs Parlamentssitze. Wegen der Zusammenarbeit mit den linken Parteien sowie der arabischen Raam-Partei standen diese Abgeordneten von Beginn an unter enormem Druck und wurden als Verräter beschimpft. Den Todesstoss verpasste der Koalition am Ende ausgerechnet Bennetts vormals enger Vertrauter Nir Orbach, der seit Wochen schon mehr oder weniger geheime Verhandlungen mit dem Likud führte.
Israelischen Medienberichten zufolge haben Bennett und Lapid mit ihrer Einigung auf eine Knesset-Auflösung auch politische Partner überrascht. Bennett soll demnach diesen Schritt nicht einmal mit den eigenen Parteifreunden abgesprochen haben.
Gerüchten zufolge erwägt Bennett, der als Hightech-Unternehmer früh zu Reichtum gekommen war, nun sogar einen kompletten Rückzug aus der Politik. Einen geplanten Höhepunkt seiner Amtszeit dürfte er nun in jedem Fall verpassen: Wenn Mitte Juli US-Präsident Joe Biden wie angekündigt Israel besucht, wird er nach jetzigem Stand wohl vom Premierminister Jair Lapid empfangen werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.