Israel und die US-WahlenIsraelis halten eher zu Trump, amerikanische Juden zu Biden
Donald Trump und Benjamin Netanyahu haben es geschafft, einen Keil zwischen Israel und die wichtigste Diaspora-Gruppe mit gut sechs Millionen Juden zu treiben.

Im Sommer vorigen Jahres hat Donald Trump eine sehr hypothetische und sehr grossmäulige Wahlprognose abgegeben: Wenn er in Israel antreten würde, so erklärte der US-Präsident, dann würde er 98 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist natürlich typisch übertrieben, doch tatsächlich ist Trump wohl kaum irgendwo auf dem Globus so populär wie im jüdischen Staat. Satte Mehrheiten wären ihm dort sicher.
Das Problem ist nur, dass die Israelis Trump nicht wählen dürfen – und dass die amerikanischen Juden mindestens so fest hinter seinem Konkurrenten Joe Biden von den Demokraten stehen wie die Israelis hinter dem amtierenden Präsidenten. Die einschlägigen Umfragen in Israel und den USA weisen fast spiegelverkehrte Werte auf. Und das könnte weit über die aktuelle US-Wahl hinaus zum Problem werden zwischen Israel und der jüdischen Diaspora in den USA.
Trump hat viel für Netanyahu getan
Die mehr als sechs Millionen in den USA lebenden Juden sind traditionell mehrheitlich den Demokraten zugeneigt. Das bestätigt auch eine aktuelle, vom American Jewish Committee in Auftrag gegebene Umfrage zur Präsidentenwahl am 3. November: 75 Prozent der amerikanischen Juden wollen demnach für Biden stimmen, nur 22 Prozent für Trump. Das liegt in etwa auf der Linie jenes Werts, den Wahlnachfragen 2016 für Hillary Clinton angezeigt hatten.
In Israel dagegen, wo Clinton 2016 einer Umfrage des Armee-Radios zufolge beliebter war als Trump, wünschen sich nun lediglich 21 Prozent der Befragten einen Sieg Bidens. 50 Prozent favorisieren Trump. Rechnet man aus dieser Umfrage des Mitvim-Instituts all jene heraus, die keine Angaben machten, ergibt sich ein Verhältnis von 70 zu 30 für Trump.
Trumps jetzige Beliebtheit in Israel lässt sich leicht erklären: Schliesslich ist er der Präsident, der die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt hat. Er hat zudem Israels Souveränität über die 1967 eroberten Golanhöhen anerkannt und ausserdem noch einen sogenannten Friedensplan vorgelegt, der im Konflikt mit den Palästinensern sehr einseitig Israels Interessen folgt. Schliesslich hat er noch Normalisierungsabkommen zwischen Israel und drei arabischen Staaten – den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und dem Sudan – vermittelt. Und obendrein hat er, nicht zuletzt auf Drängen des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu, das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt.
Keinerlei Kontaktversuch mit Biden
Wenig Wunder also, dass Trump vielen Israelis als Wohltäter und bester US-Präsident seit Menschengedenken erscheint. Von Biden dagegen erwartet man eine Fortsetzung der Politik Barack Obamas, dem er als Vizepräsident zur Seite gestanden hatte – und damit wenig Gutes. Ausser Acht bleibt dabei, dass Biden sich zeit seines Politikerlebens als Freund Israels bewiesen hatte. Aus dem Jahr 2012 ist ein Zitat überliefert, in dem er bekennt, er würde Netanyahu «lieben», auch wenn er mit «keiner verdammten Sache» übereinstimme, die dieser sage. Als Netanyahu kürzlich jedoch in Washington weilte zur grossen Unterzeichnungsshow der Abkommen mit den VAE und Bahrain, gab es keinerlei Kontaktversuch mit Biden.
All das, was Trump für Israel beziehungsweise für seine eigene evangelikale Wählerklientel sowie als Freundschaftsdienst für seinen Verbündeten Netanyahu getan hat, bleibt jedoch offensichtlich ohne Auswirkung auf das Wahlverhalten der amerikanischen Juden. Trump selbst nimmt das erwartungsgemäss persönlich. Im vorigen Jahr bezeichnete er jüdische Wähler, die für die Demokraten stimmen, als «illoyal».
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