Hafen im Jemen angegriffen Israel sendet eine brennende Botschaft an den Iran
Premier Benjamin Netanyahu will den Angriff auf die proiranischen Huthi als Zeichen der Entschlossenheit verstanden wissen. Er gerät aber innen- wie aussenpolitisch stärker unter Druck.
Israel hat mit einem Luftangriff auf den Hafen Hodeidah im Jemen Vergeltung für eine tödliche Drohnenattacke der proiranischen Huthi-Miliz in Tel Aviv genommen und zugleich Warnsignale an seine Feinde Iran und die schiitische Hizbollah-Miliz im Libanon gesendet.
«Zweifelt nicht an Israels Entschlossenheit, sich an jeder Front zu verteidigen. Alle, die uns schaden wollen, werden einen sehr hohen Preis für ihre Aggression zahlen», erklärte Premier Benjamin Netanyahu am Samstagabend, während zur gleichen Zeit in sozialen Medien Bilder aus Hodeidah von lodernden Flammen und dunklen Rauchsäulen zu sehen waren.
Tote und Verletzte
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sind nach Angaben der Huthi-Gesundheitsbehörde mindestens sechs Menschen gestorben und etwa 80 verletzt worden. Ein Vertreter der Miliz sagte, man bereite sich auf einen «langen Krieg» mit Israel vor. Zudem warnte ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums, Israels «gefährliches Abenteurertum» könne einen regionalen Krieg auslösen.
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Die Sorge vor einer Eskalation wächst auch in Brüssel und Washington, wo Netanyahu in wenigen Tagen erwartet wird. Gerade warnte US-Aussenminister Antony Blinken, der Iran sei «wahrscheinlich nur noch eine oder zwei Wochen davon entfernt», spaltbares Material für eine Atomwaffe herstellen zu können. (Lesen Sie die Analyse über Europas Naivität im Nahen Osten.)
Der Einsatz der israelischen Luftwaffe (IAF), an dem laut «Haaretz» mehr als zehn F15- und F35-Kampfjets beteiligt waren, war der erste direkte Angriff Israels auf die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz, seit diese im Oktober begonnen hat, Israel mit Hunderten Drohnen und Raketen anzugreifen.
Die Huthi begründen dies wie die Attacken auf Schiffe im Roten Meer mit ihrer Solidarität mit der Terrororganisation Hamas, die am 7. Oktober 2023 Israel überfallen hat. Medienberichten zufolge sahen Netanyahus Regierung und die Armee die Vergeltungsaktion als unvermeidlich an, nachdem am Freitag eine Drohne in Tel Aviv nahe dem US-Konsulat eingeschlagen war. Ein 50-jähriger Mann starb, acht Personen wurden verletzt. Das israelische Militär gab an, die Drohne sei wegen eines menschlichen Fehlers nicht abgeschossen worden.
Waffen aus dem Iran
Dem israelischen Webportal «Walla» zufolge hatte sich die IAF seit Monaten auf einen Einsatz gegen die Huthi vorbereitet. Diese erhalten über den Hafen von Hodeidah laut IAF die meisten Waffen aus dem Iran. Allerdings kommen nach UNO-Angaben auch etwa 70 Prozent aller Importe und 80 Prozent aller humanitären Hilfsgüter in den verarmten Jemen.
Mit dem Namen «Operation langer Arm» schicke man eine klare Botschaft an den Iran, hiess es aus israelischen Sicherheitskreisen. «Alle können rechnen: Wenn die IAF den Hafen in Hodeidah in 1700 Kilometer Entfernung angreifen kann, dann kann sie mit Sicherheit auch Ziele in Teheran treffen, das 1500 Kilometer entfernt ist», hiess es in einer Analyse von «Walla».
Die Huthi wurden dem Vernehmen nach vom Angriff überrascht, aber reagierten umgehend. In der Nacht auf Sonntag feuerten sie eine Boden-Boden-Rakete auf Südisrael ab, die jedoch abgeschossen wurde. Danny Citrinowicz vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv sagte der «New York Times», er erwarte weitere Huthi-Angriffe. Beenden könnte diese nur ein Waffenstillstand im Gazastreifen.
«Lieblingsinstrument» Khameneis
Allerdings betont Ronen Bergman, der Sicherheitsexperte der Zeitung «Yedioth Ahronoth», dass die Huthi das «Lieblingsinstrument» des iranischen Revolutionsführers Khamenei seien, um Israel indirekt anzugreifen. Insofern ist davon auszugehen, dass die Miliz, die einen Grossteil des jemenitischen Staatsgebiets kontrolliert, Israel auch attackieren dürfte, wenn sich die Auseinandersetzung mit der Schiitenmiliz Hizbollah im Libanon zuspitzen oder gar in einen offenen Krieg münden würde.
Auch wenn der Luftangriff in Israels Medien als «mutig und präzise» gelobt wurde, steht Premier Netanyahu innenpolitisch weiter unter Druck. So kritisieren einige der 60’000 Bewohner jener Orte in Nordisrael, die wegen des andauernden Raketenbeschusses der Hizbollah in Sicherheit gebracht worden sind, er lege zweierlei Massstäbe an. Eine Drohne auf Tel Aviv genüge, um eine Vergeltungsaktion anzuordnen, während die Angriffe auf ihre Häuser seit Monaten hingenommen würden.
Seit Wochen versucht der Diplomat Amos Hochstein im Auftrag von US-Präsident Joe Biden, zwischen dem Libanon und Israel eine Lösung für die explosive Lage an der Grenze auszuhandeln. Dies wird ein zentrales Thema bei Netanyahus Besuch in Washington sein, wo er am Dienstag Biden treffen soll.
Beide können sich nicht leiden, und Biden drängt Netanyahu seit Wochen, mit der Hamas ein Abkommen über eine Waffenruhe sowie die Freilassung der 120 im Gazastreifen verbliebenen Geiseln zu schliessen. Vor Netanyahus Abreise forderten in Israel Tausende Demonstranten einen solchen Deal und warfen dem Premier erneut vor, seine politischen Interessen über das Leben der Geiseln zu stellen.
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