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Israel-Reise von Schweizer Familien
«Uns wurde klar, wir wollen so schnell wie möglich weg»

Am frühen Morgen vor dem Raketenbeschuss: Die Schweizer Gruppe blickt vom Ölberg auf Jerusalem.
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Der Swiss-Flug von Zürich nach Tel Aviv landet am Samstagmorgen um 3.30 Uhr. Die beiden befreundeten Familien aus der Region Winterthur sind um 5 Uhr früh in Jerusalem. Weil das Einchecken bei ihrem Airbnb noch nicht möglich ist, laufen sie durch die Altstadt in Richtung Ölberg. «Es war eine fast schon mystische Stimmung dort in den Morgenstunden, alles still und friedlich», erzählt Anton Leu* am Telefon (*Name der Redaktion bekannt). Dann hören sie Detonationen – und eine spezielle Reise beginnt.

Zunächst ist nicht klar, was an diesem Morgen in Israel passiert. Die aus neun Personen bestehende Schweizer Gruppe – zwei Elternpaare mit ihren Kindern im Alter zwischen 15 und 21 Jahren – läuft erst einmal weiter, wenn sich die Erwachsenen auch vielsagend anschauen. Dann finden sie ein Altstadt-Café – zum Frühstück werden dort die Nachrichten geliefert: Angriff auf Israel.

«Die Stimmung in der Bevölkerung, bei Touristen und der Polizei war erstaunlich: absolut abgeklärt, keine Panik», sagt Leu. Und was ist mit den beiden Familien? Sie rufen ihren Reiseveranstalter an. Der rät, zunächst in ihrem Airbnb unterzukommen. 200 Meter ausserhalb von Jerusalems Altstadt.

Während die beiden Väter mit dem Einchecken beschäftigt sind, warten die Mütter mit den fünf Kindern auf einem Platz draussen, als Sirenenalarm ertönt zusammen mit dem Ruf von Polizisten: «Alle auf den Boden legen!» Spätestens jetzt spürt die Gruppe aus der Schweiz die unmittelbare Gefahr. Und natürlich: Angst.

«Uns wurde klar, wir wollen so schnell wie möglich weg», sagt Leu. Der Reiseveranstalter Kultour Ferienreisen organisiert für die neun Personen einen Flug in die Türkei. Tel Aviv–Antalya, noch am Samstag. Weg. So macht sich die Gruppe der beiden Familien bereits am Anreisetag wieder in Richtung Flughafen Tel Aviv auf. Während sie dort auf das Check-in wartet, wird der Flug von Turkish Airlines aber annulliert. Wegen der Raketensalve der Hamas auf Israel muss die Maschine abdrehen.

«Die Option, aus Israel auszufliegen, war vom Tisch», so Leu. Der neue Plan: mit dem Kleinbus nach Jordanien. «Derselbe Fahrer, der uns nach Tel Aviv bringen sollte, fährt uns am nächsten Tag nach Eilat.» Die Stadt liegt ganz im Süden, an der Grenze zu Jordanien.

«Es ist schizophren, wir sehen rüber nach Israel und wissen, dass dort Menschen sterben. Israelis wie Palästinenser.»

Vorerst fährt die Gruppe aber unverrichteter Dinge wieder in ihr Airbnb zurück nach Jerusalem – immer wieder hört sie einschlagende Raketen. Schlafen kann sie wegen der grossen Müdigkeit dann trotzdem.

Die Fahrt nach Eilat gelingt am Sonntag ohne Probleme. Im Süden von Israel ist die Lage relativ ruhig, der Grenzübergang friedlich. Die beiden Schweizer Familien sind nun in Jordanien am Roten Meer. Sie sind sicher – aber aufgewühlt.

«Es fühlt sich gewissermassen an, als hätten wir uns durch die Hintertür verabschiedet», sagt Leu. «Es ist schizophren, wir sehen rüber nach Israel und wissen, dass dort Menschen sterben. Israelis wie Palästinenser.»

Die beiden Familien hatten ohnehin eine Israel-Jordanien-Rundreise gebucht. Am Mittwoch beginnen sie wie geplant ihre Tour durch Jordanien. Angst, danach keinen Rückflug in die Schweiz zu bekommen, haben sie nicht. «Unsere Sicht auf gewisse Alltagsdinge hat sich inzwischen verändert», sagt Leu. «Wenn man Krieg so unmittelbar mitbekommt, schätzt man Frieden, Freunde und Freiheit umso mehr.»