Schattenkrieg im Nahen OstenUSA und iranische Milizen beschiessen einander – kommt es zur Eskalation?
Nach Attacken auf amerikanische Militärstützpunkte reagieren die USA mit Luftschlägen gegen iranische Ziele in Syrien.
Die Vorsicht spricht aus jeder Zeile. Man habe zwei Ziele in Syrien angegriffen, gab Lloyd Austin, Verteidigungsminister der USA, am späten Donnerstagabend Ortszeit bekannt. Dabei habe es sich um Einrichtungen der iranischen Revolutionsgarden gehandelt, unter anderem ein Waffenlager. Präsident Joe Biden habe die «eng begrenzten Luftschläge zur Selbstverteidigung» angeordnet.
Die USA, so Austin weiter, suchten aber keinen Konflikt mit dem Iran. Man hege «kein Verlangen nach dem Austausch weiterer Feindseligkeiten». Auch bestehe kein Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas. Man müsse die Luftschläge «separat» sehen, liess das Pentagon verlauten.
So klingt ein Balanceakt. Die Biden-Regierung will unbedingt vermeiden, dass der Konflikt im Nahen Osten eskaliert, dass es zum grossen Krieg kommt – mit Beteiligung des Iran und der libanesischen Hizbollah, der beiden wichtigsten Verbündeten der Terrororganisation Hamas. Dafür allerdings müssen die Vereinigten Staaten dem iranischen Regime auch zeigen, dass sie bereit sind, notfalls militärisch einzugreifen. Es geht um Abschreckung.
Iran will USA provozieren – aber nicht zu stark
In den vergangenen Tagen meldeten amerikanische Basen in Syrien und im Irak wieder und wieder Raketenbeschuss. Die USA machen dafür Milizen verantwortlich, die in beiden Ländern als Stellvertreter des Iran agieren. Immer wieder bekannten diese sich auch zu den Angriffen. Dabei dürfte es Absicht gewesen sein, dass die Raketen meist mit Luftabwehr gesicherte Basen der US-Armee trafen.
Offenbar will das iranische Regime die USA provozieren. Es möchte signalisieren, dass es sich vor den beiden US-Flugzeugträgern im östlichen Mittelmeer nicht fürchtet – will aber andererseits nicht so viel Schaden anrichten, dass die USA zu einer grösseren Reaktion gezwungen wären. So ist es zumindest bislang in diesem Schattenkrieg, der den Gazakonflikt begleitet.
Die US-Botschaft an den Iran: Hört auf, mit dem Feuer zu spielen – wir wollen keinen Krieg, wir reagieren nur.
Opfer gab es trotzdem. Bei einem der iranischen Angriffe starb ein amerikanischer Staatsbürger an Herzversagen, weitere Personen erlitten ein Schädelhirntrauma. Es sei die oberste Pflicht des US-Präsidenten, das amerikanische Personal zu schützen, sagte Lloyd Austin. Sollten die Attacken nicht aufhören, behalte man sich weitere Vergeltungsschläge vor. Die US-Denkfabrik Washington Institute kam in einer Zählung bis Donnerstag auf insgesamt 18 Angriffe auf amerikanische Basen, davon 11 im Irak.
Austins Statement liest sich wie eine Botschaft an den Iran: Hört auf, mit dem Feuer zu spielen – wir wollen keinen Krieg, wir reagieren nur. Die Luftschläge vom Donnerstag änderten nichts an «unserer Haltung zum Israel-Hamas-Konflikt». Man rufe «alle staatlichen wie nicht staatlichen Parteien auf, nichts zu tun, was zu einem regionalen Konflikt» führen könnte. Alle, das schliesst Israel mit ein.
Auch das darf man als Wink nach Teheran verstehen: Die US-Regierung versucht, die Israelis zu mässigen – um damit einen Krieg um Gaza abzuwenden, der das Potenzial hätte, die ganze Region zu destabilisieren. (Lesen Sie zum Thema auch das Interview mit einem israelischen Sicherheitsexperten: «Die Gefahr ist gross, dass sich dieser Krieg ausweitet».)
Biden steht unter Druck mit seiner Iran-Politik
Auch dass die USA sich am Donnerstag zwei iranische Ziele in Syrien aussuchten, nicht im Irak, spricht diese Sprache. Angriffe auf irakischem Boden wären für den Iran wohl ein grösserer Affront gewesen. US-Präsident Biden zeigt der iranischen Führung, dass er, wenn nötig, reagiert. Er gibt den Mullahs aber auch die Chance, sich ohne grösseren Gesichtsverlust zurückzuziehen.
In seiner Iran-Politik steht der US-Präsident unter Druck. Vor allem die Republikaner im US-Kongress, aber nicht nur sie, werfen ihm Schwäche vor. Biden hatte sich in den vergangenen Monaten um eine Verständigung mit dem iranischen Regime bemüht, es soll eine Art Nichtangriffspakt gegeben haben – um genau den Schlagabtausch zu vermeiden, der jetzt stattgefunden hat.
Erst vor wenigen Wochen fand ein Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran statt, den manche schon als Schritt auf dem Weg zu einem neuen Atomabkommen sahen. Und kurz vor dem Überfall der Hamas auf Israel am letzten 7. Oktober gab Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan ein Interview, in dem er sich darüber freute, wie «ruhig» es im Nahen Osten geworden sei. Es klingt heute wie eine Einschätzung aus einer anderen Zeit.
Kurz nach den US-Luftangriffen flogen über Syrien wieder Raketen, das Ziel: eine amerikanische Basis.
Seit dem Terrorangriff der Hamas befindet sich die Region in Unruhe. Vor den USA griff auch Israel zuletzt Ziele in Syrien an, und nicht nur iranische. Die Regierung in Jerusalem fürchtet, dass das Assad-Regime seine Truppen in der Nähe der Golanhöhen zusammenzieht, also an der israelischen Grenze.
Auf Raketenbeschuss aus Syrien antwortete Israel mit einem Luftschlag auf einen syrischen Armeeposten, dabei sollen mehrere Soldaten gestorben sein. Die Flughäfen von Damaskus und Aleppo bombardierte Israel mehrmals, um iranische Waffenlieferungen zu verhindern.
Klar ist, dass das Assad-Regime nicht allein aufmarschiert, sondern gemeinsam mit Iran-treuen Milizen oder den iranischen Revolutionsgarden selbst. US-Präsident Biden hat bereits zwei Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer entsandt, begleitet von Tausenden Soldaten.
Bislang scheint es aber nicht so, als sei Teheran davon beeindruckt. Kurz nach den US-Luftangriffen flogen über Syrien wieder Raketen, das Ziel: eine amerikanische Basis. Der Iran und die Assad-Regierung würden die noch in Syrien stationierten US-Soldaten gern sofort aus dem Land drängen.
US-Soldaten waren 2015 zur Unterstützung des Kampfs gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Syrien geschickt worden, 900 sind heute noch dort stationiert – vor allem im Osten.
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