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Grande Dame des Schweizer Jazz
«Die Nachricht von Irène Schweizers Tod macht mich sehr traurig»

SFD Sommerserie 2016 "Visionen und Utopien": Irène Schweizer (* 2. Juni 1941 in Schaffhausen) ist eine Schweizer Pianistin und Schlagzeugerin, die zu den Begruendern des europaeischen Free Jazz zaehlt. 

Zuerich, 08. Juni 2016.
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Die Grande Dame des Schweizer Jazz ist tot: Jazz-Pianistin Irène Schweizer ist am Dienstag im Alter von 83 Jahren in einer Zürcher Institution gestorben, wie das Plattenlabel Intakt Records mitteilte.

Die 1941 in Schaffhausen geborene Schweizer zählte zu den prägenden Persönlichkeiten des modernen Jazz. Vom Dixieland im elterlichen Restaurant hatte es die Autodidaktin zum Free Jazz auf den Bühnen der Welt gebracht. So trat sie unter anderem in Berlin, Tokio, New York, London und Amsterdam auf.

Nie zu schade für kleine Bühnen

«Die Nachricht von Irène Schweizers Tod macht mich sehr traurig», schreibt die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch auf Facebook. Schweizer sei eine Pionierin gewesen, eine der ganz grossen Botschafterinnen und Unterstützerinnen des Jazz, der Frauen im Jazz und der Musikstadt Zürich – und zu Recht vielfach ausgezeichnet worden.

«Gleichzeitig war sie sich nie zu schade, auch auf kleinen Bühnen aufzutreten, und es war ihr wichtig, auch anderen eine Bühne zu bieten.» Sie behalte sie als eine grossartige Musikerin in Erinnerung. Und als starke, engagierte Frau, die dezidierte Haltungen vertrat und für diese einstand, schreibt Mauch weiter. «Die Begegnungen mit ihr werden mir fehlen.«

Als Pianistin und Schlagzeugerin erkundete Irène Schweizer in den 1960er-Jahren die Zürcher und Londoner Jazzszene. «Meine Musik hat eine gewisse Power, die sehr direkt ist», sagte sie einmal. «Wenn es funkt, wissen die Leute sofort, worum es geht.» Zusammen mit dem weltbekannten Schweizer Schlagzeuger und Perkussionist Pierre Favre setzte sie wichtige Impulse im Bereich des Free Jazz und des improvisierten Klavierspiels.

Mit Schweizer sei eine grosse Pianistin gestorben, die für ihn wie eine Seelenverwandte gewesen sei, sagte der 87-jährige Favre am Mittwoch. Wenn sie zusammen musiziert hätten, sei nie etwas abgesprochen gewesen. Sie hätten zusammen angefangen, dann seien sie musikalisch auseinandergedriftet und plötzlich doch wieder zusammengekommen: «Wir haben nie etwas gesucht, wir haben immer nur gefunden.» Und weiter sagte Favre: «Mit Irène zu spielen, war traumhaft, es war die pure Magie.»

Mit den Stars der Szene

Sie spielte sich an die Spitze der europäischen Avantgarde. Einige wandten sich aber auch von Schweizer ab, weil sie der Ansicht waren, jetzt gehe sie zu weit (und Free Jazz sei weder Jazz noch Musik). Ihre inspirierten und brillanten Improvisationen rissen das Publikum immer wieder zu Ovationen hin.

Schweizer stand im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Topstars der Szene auf der Bühne, darunter Andrew Cyrille und Han Bennink. «Ich habe mit vielen der besten Jazzmusiker weltweit gespielt, vor allem auch mit vielen Afroamerikanern. Dass mich diese Musiker akzeptierten, macht mich schon ein bisschen stolz», sagte sie der WOZ anlässlich ihres 75. Geburtstags.

Schweizer veröffentlichte zahlreiche Solo- und Duo-Alben. Zudem engagierte sie sich für die musikalische Frauenbewegung Europas. Sie war Mitbegründerin des Taktlos-Festivals, der Werkstatt für Improvisierte Musik Zürich (WIM) und des Jazz-Labels Intakt.

Feministin im «Männerrevier»

Jazz war, sah man von den Sängerinnen ab, die von Anfang an eine führende Rolle spielten, ein männliches Revier. Den reinen Männerbands, fand Irène Schweizer, müsse man eine reine Frauenband entgegenstellen. Das war die Zeit der Feminist Improvising Group (FIG), an der sie massgebend beteiligt war. Damit verlor sie ein paar weitere Fans, denen ihre feministischen Statements zu radikal waren. In diese Zeit fällt auch ihr offenes Bekenntnis zur Homosexualität.

Ihr letztes grosses öffentliches Konzert gab Schweizer im Juli 2019 am Festival «Konfrontationen» im österreichischen Nickelsdorf: ein Duo mit dem amerikanischen Schlagzeuger Hamid Drake, das inzwischen unter dem Titel «Celebration» auch als CD veröffentlicht wurde.

Im Sommer 2021 hatte sich Schweizer kurz nach ihrem 80. Geburtstag aus gesundheitlichen Gründen vom Konzertbetrieb zurückgezogen. Sie verzichtete auf grosse Reisen und Auftritte auf grossen Bühnen.

Schweizer wurde in ihrer Karriere mit mehreren Kulturpreisen geehrt. Unter anderem erhielt sie den Sonderpreis der deutschen Schallplattenkritik, die Kunstpreise der Stadt Zürich (1991) und des Kantons Zürich (2018) sowie den Schweizer Grand Prix Musik (2018).

SDA/pash/sch