Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Schulpsychologe im Interview
«Wir können nicht zulassen, dass eine Generation voller Angst nachkommt»

Bildnerisches Gestalten Gymnasialunterricht Klasse P16g an der Kantonsschule Solothurn am 14. Mai 2018.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Herr Obrist, jedes zweite 14-jährige Stadtzürcher Mädchen fühlt sich von der Schule gestresst, ein Drittel der Mädchen zeigt Hinweise auf Angststörungen, wie die Resultate der jüngsten Befragung der Schulgesundheitsdienste zeigen. Inwiefern erstaunt Sie das?

Wir mussten aufgrund von Ergebnissen aus nationalen Studien eine solche Zunahme befürchten. Aber in diesem Ausmass erschreckt mich das Resultat. Zumal wir als Schulpsychologischer Dienst schon ganz viel für die psychische Gesundheit der Kinder tun und im vergangenen Jahr 9 Prozent mehr Fälle behandelt haben. Es zeigt uns aber, dass wir weiterhin intensiv dranbleiben müssen.

Wie erklären Sie sich diese Ergebnisse?

Bei Mädchen beginnt die Pubertät früher als bei Knaben. Sie sind in der Tendenz empathischer und fürsorglicher. Kommt hinzu, dass sie gesellschaftlich eher auf Anpassung, Optimierung und Leistung getrimmt sind, deshalb verändert sich ihre Persönlichkeit während der Pubertät meist heftiger als bei Jungs. Sie machen also eine tiefgründigere Veränderung durch, was sie insgesamt vulnerabler macht.

Das tönt, als relativierten Sie die Ergebnisse mit den biologischen Gegebenheiten.

Nein, das dürfen wir nicht. Ein Drittel der Mädchen hat ein Gefühl von Angst – das darf nicht sein. Wir können als Gesellschaft nicht zulassen, dass eine Generation voller Angst nachkommt. Wir müssen diesen Mädchen Sorge tragen.

Was können die Schule und die Lehrpersonen für einen Beitrag leisten? 14-Jährige fühlen sich ja vor allem auch in der Schule besonders gestresst.

Lehrpersonen leisten schon viel. Die Balance zwischen Stoffdruck, Klassenführung und Beziehungsarbeit wird immer schwieriger. Aber sicher, Lehrpersonen und wir alle müssen die in sich gekehrten Mädchen im Fokus haben. Auch wenn das vielleicht nicht so einfach ist.

Wo liegen die Knackpunkte?

Mädchen sind ruhiger und angepasster, ziehen sich in der Pubertät gern ins Private und in ihre Peer-Group zurück. Deshalb werden Beziehungen zu Erwachsenen auf die Probe gestellt und anspruchsvoller. Dennoch sollten Lehrpersonen immer wieder versuchen, auf die Jugendlichen zuzugehen und das Gespräch zu suchen, um gewisse Veränderungen wahrzunehmen. Gleichzeitig müssen die Mädchen aber auch selber Eigenverantwortung übernehmen und lernen, etwa durch Ablenkung, Sport und Medienpausen einen Weg aus der Abwärtsspirale zu finden und nicht alles so schwer zu nehmen.

Was raten Sie Eltern von weiblichen Teenagern mit seelischen Nöten?

Sie sollen für ihr Kind da sein und es gleichzeitig loslassen. Das heisst, es braucht eine gewisse Nähe und Zuwendung, aber gleichzeitig eine Klarheit. Zudem muss die Hierarchie bewahrt werden. Gibt es Warnzeichen auf verschiedenen Ebenen, sprich dass die schulischen Leistungen oder das Sozialverhalten sich massiv verändern, sollen Eltern handeln und Hilfe holen.