Insektenplage nach HochwasserManche Mücken verbreiten sich explosionsartig
Die Bedingungen sind derzeit ideal für Stechmücken. Welche sind am gemeinsten? Wie können wir uns schützen? Alles rund um die grössten Plagegeister im Tierreich.
Nimmt die Anzahl der Stechmücken zu?
Ja, in manchen Regionen finden Mücken derzeit ideale Bedingungen, etwa am Bodensee oder in anderen Überschwemmungsgebieten. Die Insekten benötigen stehendes Wasser. Im Durchschnitt legt ein Weibchen 50 bis 150 Eier ab, aus denen Larven schlüpfen, die sich im Wasser entwickeln.
«Vor allem in den Hochwassergebieten verbreiten sich die Überschwemmungsmücken (Aedes vexans) derzeit geradezu explosionsartig», sagt Gabi Müller, Leiterin Fachstelle Schädlingsprävention der Stadt Zürich. «Die Eier werden in die von einer Überschwemmung feuchte Erde gelegt und können jahrelang im Boden überdauern. Bei der nächsten Überschwemmung schlüpfen die Larven alle gleichzeitig und entwickeln sich zu Mücken.»
In den städtischen Regionen kommt sehr häufig die Gemeine Hausmücke (Culex pipiens) vor, die wir oft ungewollt selber auf dem Balkon oder im Garten heranzüchten, etwa in der Regentonne oder in Untersetzern von Blumentöpfen.
Je wärmer das Wasser ist, desto schneller wachsen neue Mücken heran, dann dauert es vom Ei bis zum erwachsenen Insekt 7 bis 14 Tage. Während sich die Männchen vegetarisch von Pflanzennektar ernähren, benötigen die Weibchen alle drei bis vier Tage eine Blutmahlzeit, damit sie Eier produzieren können.
Wie entdecken die Weibchen ihre Opfer?
Sie finden uns mit allen Sinnen. Das haben Forschende zum Beispiel bei der hierzulande nicht heimischen Malariamücke (Anopheles gambiae) festgestellt. So folgen die in der Dämmerung aktiven Mücken dem Kohlendioxid, das wir ausatmen, sie orientieren sich an dunklen Silhouetten und landen auf etwa 35 Grad warmen Objekten. Hinzu kommt der individuelle Körpergeruch, die Erklärung, warum manche Personen häufig und andere kaum gestochen werden.
Mücken fliegen auf Opfer, die vermehrt Stoffe freisetzen, die nach Schweiss riechen, insbesondere Buttersäure, Isobuttersäure oder Isovaleriansäure. Das bestätigt Gabi Müller: «In den Fallen für Tigermücken setzen wir zum Beispiel einen Lockstoff ein, der wie lang getragene Socken riecht.»
Beim Körpergeruch spielen die Bakterien auf der Haut, das Mikrobiom, eine grosse Rolle, hat Niels Verhulst mit seinem Team festgestellt. Der Insektenforscher von der Universität Zürich fand, dass Menschen, die vermehrt Staphylokokken auf der Haut tragen, attraktiver für Mücken sind, wohingegen Pseudomonas-Bakterien die Plagegeister fernhalten. «Dieses Wissen könnte einmal interessant sein, um Repellents zu entwickeln», sagt Verhulst. Der Körpergeruch verändert sich jedoch, etwa im Alter, bei Schwangeren oder auch mit der Ernährung – so werden Biertrinker häufiger von Mücken ausgewählt.
Was hilft gegen Mückenstiche?
Helle, weite Kleidung, die möglichst viele Körperstellen bedeckt, schützt vor Mückenstichen. In der Nacht helfen Moskitonetze über dem Bett oder Insektengitter vor den Fenstern. Mücken mögen keine unter 18 Grad gekühlten Räume, ebenso wenig wie Wind, auch nicht vom Ventilator.
«Um den eigenen Körpergeruch zu verändern, reichen Wasser, Seife oder Deodorant jedoch nicht aus», sagt Verhulst. Selbst in manchen wohlriechenden Kosmetika sind Stoffe enthalten, die Mücken anlocken. So hat etwa das als pflanzliches Repellent bekannte Limonen in manch einer Seife den Effekt, Mücken anzulocken, statt abzuwehren, wie ein US-Forschungsteam herausfand.
Am besten bewährt haben sich gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) Repellents, die das chemische Insektenschutzmittel Diethyltoluamid (DEET) enthalten. Dabei werde DEET «über die Haut auch in den Organismus aufgenommen, abgebaut und über den Urin ausgeschieden». Das BAG gibt aber Entwarnung: Umfangreiche toxikologische Studien hätten «bis heute keine Hinweise auf weitergehende gesundheitliche Risiken ergeben». Es gebe zwar «einzelne Fallberichte über Komplikationen mit DEET». Das Mittel sei jedoch seit Jahrzehnten von Millionen von Menschen angewendet worden, sodass die Risiken nicht höher seien «als bei allen Produkten, die wir verwenden».
Wer dennoch lieber pflanzliche Wirkstoffe wie Lavendelöl oder Limonen nutzen möchte, sollte vorsichtig sein, da sie Hautallergien auslösen können. Zudem wirken die pflanzlichen Insektenschutzmittel deutlich kürzer als die synthetischen. Für Kinder ab einem Jahr werden Produkte mit dem Wirkstoff Icaridin empfohlen, der weniger über die Haut aufgenommen wird als DEET.
Was tun beim juckenden Stich?
Beim Stechen gibt die Mücke ein Sekret ab, das die Blutgerinnung hemmt und die Hautstelle leicht betäubt. Der Speichel führt im Körper zu einer Abwehrreaktion. Unser Immunsystem setzt Histamin frei, was zu den typischen Hautrötungen und zum Juckreiz führt. Deshalb lindern Antihistamin-haltige Gele, die zudem noch kühlen. Generell helfen kühle, feuchte Tücher oder Eiswürfel – oder auch Hitze. Die Idee der Hitzestifte ist, Proteine im Mückenspeichel mit etwa 50 Grad Hitze zu zerstören, bevor der Körper mit Histamin reagiert. Wie wirksam sie tatsächlich sind, ist wissenschaftlich schlecht untersucht. Da hilft nur: selber ausprobieren.
Am wichtigsten ist: nicht kratzen! Sonst besteht das Risiko, dass sich die Wunde entzündet.
Warum reagieren manche Menschen besonders heftig auf Mückenstiche?
Die Reaktion, wie gross eine rote Stelle oder Quaddel nach einem Mückenstich wird, hängt von der Art der Mücke ab und von der individuellen Reaktion der gestochenen Person. «In der Regel führen die Stiche der grösseren Mückenarten zu unangenehmeren Quaddeln als Stiche von kleineren Arten», sagt Verhulst. Eine Ausnahme ist die vergleichsweise kleine eingewanderte Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), deren Stiche oft stärkere Hautrötungen hervorrufen.
Allergien auf Mückenstiche sind jedoch sehr selten, schreibt das AHA Allergiezentrum Schweiz. Wer auf Mückenstiche besonders heftig mit Entzündungen reagiert, sollte eine Ärztin aufsuchen und dann gegebenenfalls eine kortisonhaltige Salbe verwenden oder kurzzeitig ein Antihistaminikum einnehmen, heisst es weiter.
«Es gibt aber auch eine Gewöhnung», sagt Verhulst. Je häufiger Menschen gestochen werden, desto weniger reagieren sie auf die Stiche. Das haben bereits Versuche mit Freiwilligen in den 1940er-Jahren gezeigt. Verhulst bestätigt das aus eigener Erfahrung: «Wenn ich von den Mücken gestochen werde, mit denen wir im Labor arbeiten, bekomme ich keine Hautreaktionen mehr.» Das könnte auch erklären, warum häufig Kleinkinder besonders heftige Reaktionen auf Mückenstiche zeigen im Vergleich zu älteren Personen.
Der ultimative Tipp des Insektenforschers Verhulst ist: «Am besten tun Sie sich mit einer Person zusammen, die attraktiver für Mücken ist als Sie selbst.»
In einer früheren Version des Artikels wird an zwei Stellen versehentlich das Bundesamt für Umwelt (Bafu) zitiert. Richtig muss es heissen: «Am besten bewährt haben sich gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) Repellents, die das chemische Insektenschutzmittel Diethyltoluamid (DEET) enthalten.» Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.