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Rückflug im Privatjet
Infantinos Lüge

Fifa-Präsident Gianni Infantino fliegt öfter mal im Privatjet, hier 2016 in Sudan. Doch ein Flug im April 2017 steht nun im Fokus.
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Surinam. Das kleinste Land Südamerikas, eingezwängt zwischen Guyana, Brasilien und Französisch-Guayana, im Norden umspült vom Atlantik. Auch dorthin hat Gianni Infantino sein Amt als Weltfussballpräsident schon geführt. Im April 2017, am Ende einer Reise durch verschiedene Länder Lateinamerikas, schlug Infantino in der Hauptstadt Paramaribo auf. Händeschütteln mit Staatschef Desi Bouterse, Gespräche beim Verband SVB, Besuch im Kamperveen-Stadion.

Drei Mitarbeiter begleiteten den Fifa-Boss auf seiner Reise, darunter sein Chefassistent Mattias Grafström. Und während Infantino den Gastgebern das Übliche erzählte («Surinam braucht ein neues Stadion»), kümmerte sich Grafström um das Wesentliche: die Frage, wie man hier möglichst schnell wieder wegkommt.

Der «Süddeutschen Zeitung» liegt ein Fifa-interner Mailverkehr vor, der zeigt, dass sich Infantinos kleine Reisegruppe für den Rückflug heim in die Schweiz spontan einen Privatjet gegönnt hat anstelle der bereits gebuchten Linienflüge. Und dass der Präsidententrupp offenkundig eine dreiste Lüge benutzte, um die für solche Extrakosten erforderliche Zustimmung bei den Compliance-Aufsehern zu erhalten.

Erklärung für die Extrakosten: ein Treffen mit dem Uefa-Chef. Der war allerdings in Armenien

Es ist die nächste Affäre rund um Gianni Infantino – womöglich die entscheidende zu viel? Seit Monaten bestimmt der Fifa-Präsident die Nachrichtenlage. Just in diesen Tagen stolpert der Chefankläger, Bundesanwalt Michael Lauber, über eine Reihe mysteriöser Geheimtreffen, zu denen er von Infantino gelockt (oder genötigt?) wurde. Am Mittwoch beschloss die parlamentarische Gerichtskommission in Bern ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesanwalt; auch gegen den Fifa-Boss liegt in der Sache eine Strafanzeige vor, die prüft gerade die Berner Kantonsjustiz. Und nun auch das noch: die Surinam-Lüge.

Es ist der 11. April 2017, 20.27 Uhr, als Assistent Grafström bei Tomaz Vesel, dem Chef des Audit & Compliance-Komitees der Fifa, ein Problem anmeldet: Die Fluglinie KLM habe die Rückreise in die Schweiz «aus technischen Gründen» um 24 Stunden verschoben. «Um die Termine des Präsidenten heute in Surinam und morgen in Europa wahrnehmen zu können, haben wir alle Alternativen in Betracht gezogen», teilt Grafström mit, «aber es gibt keine andere Alternative, als ein Flugzeug zu chartern.» Das interne Reisebüro Fifa Travel prüfe «Optionen, damit wir heute Abend von Surinam aus fliegen können».

Compliance-Mann Vesel antwortet 43 Minuten später. «Vielen Dank für die Informationen zu Flugdetails und zur Situation. Die Lage erscheint mir ungünstig und dass sie sofortiges Handeln erfordert.» Und: «Seien Sie so nett und geben mir (in naher Zukunft) präzise Informationen über Ihre schon vereinbarten Termine in der Region und auch morgen zurück in Europa.»

Grünes Licht also von Vesel, der auch den Fifa-Compliance-Officer Ed Hanover in Kopie gesetzt hat. Take-off in Surinam.Die Kosten für solche exklusiven Flüge liegen gewöhnlich im sechsstelligen Bereich. Diese Grössenordnung dementiert die Fifa auch im konkreten Fall nicht. Sie nennt auf Anfrage gar keine Zahlen. Und gibt sich auch sonst äusserst zugeknöpft.

Somit muss man auch den weiteren Verlauf der teuren Geschichte dem vorliegenden Mailverkehr entnehmen: Sechs Tage später, am 18. April, meldet sich demnach Grafström mit den angeforderten Details bei Vesel und Hanover ...

Auch der Fifa-Präsident darf gemäss der Regeln des Weltverbands nicht ohne guten Grund Zusatzausgaben von hunderttausend oder mehr Dollar evozieren, auf Fifa-Kosten und damit auf Kosten der globalen Fussballgemeinde. Um Exzesse auszuschliessen und um das Finanzgebaren der Topleute zu überwachen, hat sich der Weltverband einen Aufpasser wie Vesel verordnet: formal unabhängig. Einen, der genau hinguckt. Und der dafür innerhalb einer Vierjahresperiode mehr als eine Million Dollar an Aufwandsentschädigung einstreichen darf.

Fürs Hingucken. Oder vielleicht doch eher fürs Weggucken?

Vesel jedenfalls will im April 2017 wissen, welche Treffen es rund um den Privatjet-Flug gab. Grafström erstattet Bericht. Für den Stopp in Surinam listet er sieben Programmpunkte auf, auch das «leichte Dinner mit dem Minister für Sport, Verteidigung und Finanzen».

Und was war der so dringende Termin anderntags, am 12. April, der diesen teuren Rückflug begründet hat?Der es unmöglich machte, auf den verschobenen KLM-Flug zu warten?

Dazu schreibt Grafström: «Die geplanten Treffen am 12. April in Genf waren folgende: 14 Uhr Treffen mit dem Uefa-Präsidenten in Nyon, gefolgt von einem weiteren Treffen in Genf.»

Ein Gipfeltreffen der höchsten Fussballpräsidenten, am Sitz der Europäischen Fussball-Union in Nyon. Okay, das kann man durchwinken. Vesel war offenbar überzeugt. Jedenfalls teilt der Weltverband auf SZ-Anfrage zu dem Fall mit: «Der Flug fand in Übereinstimmung mit den Regeln und Bestimmungen der Fifa statt.» Die Regeln gestatten ja durchaus wichtige Geschäftstermine.

Das Problem ist nur: Es gab nie eine Verabredung für diesen Tag mit dem Uefa-Präsidenten. Das angebliche Treffen fand nicht statt und hätte auch nicht stattfinden können. Die wichtige Verabredung war eine Erfindung. Eine Lüge.

Während die Website Starnieuws.com über Infantinos Besuch am 11.4. in Suriname berichtet, will Infantino schon am 12. April Uefa-Präsident Aleksander Ceferin in Nyon getroffen haben.

Aleksander Ceferin, der Uefa-Präsident, weilte an jenem 12. April 2017 in Eriwan, der Hauptstadt Armeniens, viereinhalb Flugstunden von Nyon entfernt. Das beweisen nicht zuletzt die üppig bebilderte Webseiten der Uefa sowie des armenischen Verbandes. In Eriwan absolvierte Ceferin ein dichtes Programm: Treffen mit dem Staatschef, Grundsteinlegung für die neue Fussball-Akademie, er traf das geistliche Oberhaupt, besuchte eine Branntwein-Destille sowie die Echmiadzin-Kathedrale, eine der ältesten der Welt.

Doch zahlreiche Fotos auf der Website des Verbandes FFA beweisen: Ceferin war in Armenien.

Dass solche Staatsvisiten Wochen, wenn nicht Monate vorher vereinbart werden, ist klar. Aber: Wenn es kein Treffen in Nyon gab – welches Motiv lag dann dem überfallartig arrangierten Privatjet-Trip des Fifa-Bosses zugrunde? Wollte man einfach nur schnell nach Hause? Lag etwas anderes an, das für die Genehmigung nicht akzeptabel gewesen wäre? Mussten die eigenen Compliance-Aufseher deshalb sechs Tage später in die Irre geführt werden, indem die Fifa-Spitze ein Meeting anzeigte, das weder stattfand noch ernsthaft geplant gewesen sein konnte?Die Fifa schweigt zu all diesen Fragen. Sie dementiert die dokumentierten Vorgänge nicht – und pocht auch auf konkrete Nachfragen hin stur darauf, dass die Reise mit den Regeln in Einklang gewesen sei.