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Corona-Mutante verängstigt Briten
London hat gelockert – und Forscher warnen vor Rekord-Welle

Zurzeit gibt es täglich rund 100 Spitaleinweisungen in Grossbritannien: Behandlung eines Covid-Patienten in einem Londoner Spital.
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Eine ungehinderte Ausbreitung der zuerst in Indien identifizierten Variante B.1.617.2, die just im Vereinigten Königreich Fuss gefasst hat, könnte in einem solchen Fall zu einer katastrophalen neuen Erkrankungswelle führen. Dem wissenschaftlichen Beraterteam der Regierung («Sage») liegen Schätzungen vor, dass es täglich zu 10’000 neuen Einlieferungen in die Spitäler kommen könnte, falls die neue Variante um die Hälfte ansteckender wäre als die bisher dominierende Variante B.1.1.7.

Einen derart hohen Ansteckungsgrad hält man bei «Sage» für durchaus möglich. Forscher prophezeien bereits für Juli eine schlimmere Überlastung des Gesundheitswesens als je zuvor. In Grossbritannien ist am Wochenende die Unruhe wegen der neuen indischen Corona-Variante dramatisch gewachsen.

Auf dem Höhepunkt der letzten Corona-Welle, im Januar, lag die Zahl der täglichen Spitaleinlieferungen bei 4000 Patienten. Gegenwärtig sind es nur etwa 100 neue Hospitalisationen, mit zuletzt 7 Toten an einem Tag landesweit. Zu verdanken hat Grossbritannien diesen aktuellen Niedrigstand einer Mischung aus erfolgreicher Impfoperation und einem monatelangen Lockdown.

«Das Risiko hat sich grundlegend geändert. Jetzt sollte das Prinzip Vorsicht zum Zug kommen.»

Kit Yates, Covid-Forscher

Ausgerechnet am heutigen Montag sollen diese Massnahmen aber gelockert werden in England, Wales und vielerorts in Schottland, wie seit langem geplant. Vom neuen Trend alarmiert, haben zahlreiche Forscher die Regierung am Wochenende gedrängt, auf diese Lockerungsmassnahmen vorerst zu verzichten.

«Das Risiko hat sich grundlegend geändert», warnte am Sonntag Professor Kit Yates vom Verband unabhängiger Covid-Forscher. «An diesem Punkt der Entwicklung sollte das Prinzip Vorsicht zum Zug kommen. Je mehr Menschen wir impfen können, desto mehr Sicherheit haben wir.» Auch Yates’ Verbandskollege Martin McKee hält das für angeraten: «Heute wieder alles zu öffnen, ist ein grosses Risiko.»

Der prominente Pandemieexperte Professor Paul Hunter räumte am Wochenende ein, dass es zwar «noch keine Beweise» für den befürchteten hohen Ansteckungsgrad der neuen Variante gebe. Sollten sich die Befürchtungen aber bestätigen, «schauen wir in drei Wochen vielleicht auf diesen Zeitpunkt zurück und denken, dieser Öffnungsschritt war eine schlechte Idee».

Wieder möglich dank Lockdown-Lockerungen: Breakfast in einem Pub in London.

Die Regierung hielt am Sonntag fest an den seit langem beschlossenen Erleichterungen. Weithin sollen heute Pubs, Restaurants, Kinos, Theater und Museen wieder öffnen dürfen. Erstmals seit Jahresbeginn darf man wieder anderswo lebende Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte in deren Wohnung besuchen und dort auch übernachten. «Vorsichtige» Umarmungen sind künftig erlaubt.

Gefragt, ob es notfalls zu einer Rückkehr zu einem strikteren Lockdown kommen könnte, meinte Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag ausweichend: «Das will ich wirklich nicht hoffen.» Premier Boris Johnson schloss schon vorige Woche «nichts mehr» aus.

Boris Johnson in der Kritik

Scharfe Kritik hat sich der Regierungschef zugezogen, weil er im April drei Wochen lang gezögert hatte, Indien auf die «rote Liste» der Staaten zu setzen, die für Anreisende offizielle Quarantäne in Hotels unter staatlicher Aufsicht bedeutet. Pakistan und Bangladesh wurden bereits am 2. April auf diese Liste gesetzt.

Der Vorwurf geht dahin, dass Johnson für den 25. April einen Besuch in Indien plante, um einen lukrativen Post-Brexit-Handelsvertrag mit Delhi in Gang zu bringen – und dass scharfe Reiserestriktionen einem solchen Vertrag im Weg gestanden hätten. Johnsons Trip wurde, wegen der zunehmend ernsten Lage in Indien, am 19. April abgesagt. Danach dauerte es aber noch einmal drei volle Tage, bis Indien auf der «roten Liste» landete.

Die indische Mutante wird bald die Kent-Variante als dominante Variante in Grossbritannien ablösen.

Nach Angaben der «Sunday Times» erlaubte London so mehr als 20’000 Menschen aus Indien eine praktisch unkontrollierte Einreise in Grossbritannien zwischen dem 2. und dem 23. April. Den vorhandenen Erhebungen zufolge ist Grossbritannien mittlerweile das Land mit den meisten B.1.617.2-Fällen ausserhalb Indiens. Letzte Zahlen gingen von 1313 Fällen im Vereinigten Königreich aus.

Die Briten sind bei der Identifizierung der betreffenden Genome und bei der Zahl der vorgenommenen Tests anderen Staaten häufig voraus. Unbestritten ist, dass sich die gemeldete Zahl der Ansteckungen mit der neuen indischen Variante auf der Insel binnen einer einzigen Woche verdreifacht hat. Auch Minister Hancock meinte, dieser Virustyp werde «mit grösster Wahrscheinlichkeit» demnächst die Kent-Variante als dominante Variante in Grossbritannien ablösen.

In aller Eile sucht die Regierung jetzt die Impfkapazitäten auszubauen und besonders betroffenen Gebieten zusätzliche Impfungen zu offerieren.