Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

500 Milliarden Euro gegen Corona
In der Stunde der Not halten die Europäer zusammen

«Italien gewinnt», sagt Roberto Gualtieri, der sozialdemokratische Finanzminister des Landes.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein Kompromiss ist bekanntlich nie ein Sieg, höchstens ein Unentschieden. In Italien aber wird die hart erkämpfte Einigung der EU-Finanzminister auf ein Hilfspaket in der Corona-Krise von allen Seiten nur in absoluten Kategorien kommentiert. «Italien gewinnt», sagt Roberto Gualtieri, der sozialdemokratische Finanzminister des Landes, das von der Pandemie so heftig getroffen ist. Für den rechten Oppositionschef Matteo Salvini dagegen ist die Übereinkunft ein «caporetto», eine verheerende Niederlage, so schlimm wie jene der italienischen Armee 1917, in der Zwölften Isonzoschlacht im Ersten Weltkrieg.

Nach langen Debatten verständigten sich die 27 Finanzminister der Union am Donnerstagabend auf Hilfsprogramme für klamme Staaten über etwa eine halbe Billion Euro – das sind 500’000’000’000 Euro. Zugleich vertagten sie den Streit um sogenannte Corona-Anleihen, also gemeinschaftliche europäische Schulden zur Bewältigung der Krise. Dieser Disput hatte in den vergangenen Wochen alte Gräben zwischen Nord und Süd, zwischen wohlhabenden Staaten wie Deutschland und den Niederlanden sowie hoch verschuldeten wie Italien, wieder aufgerissen. Diese Gräben hatten schon vor einigen Jahren die Überwindung der Staatsschuldenkrise erschwert.

Zustände wie in den 1930er-Jahren

Vor allem Italien wirbt massiv dafür, dass die EU gemeinsame Anleihen ausgibt. Mit den Einnahmen daraus sollen Regierungen Konjunkturpakete finanzieren, um die Wirtschaft nach der Pandemie anzukurbeln. Wie nötig das sein wird, zeigen Prognosen des Internationalen Währungsfonds. Dessen Direktorin Kristalina Georgiewa sagt, die Lage werde so schlimm sein wie seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren nicht mehr.

Für die umstrittenen Corona-Anleihen würden alle EU-Mitglieder gemeinschaftlich haften. Weil auch finanzstarke Staaten wie Deutschland hinter den Papieren stünden, wäre der Zins, also die Risikoprämie, niedrig. Frankreich, Spanien und sechs andere Länder unterstützen Roms Forderung. Doch Regierungen wie die deutsche und die niederländische lehnen die Vergemeinschaftung von Schulden seit je ab. Italien beklagt deswegen einen Mangel an Solidarität.

Die Minister bitten ihre Vorgesetzten, die Staats- und Regierungschefs, um «Orientierung».

Die Minister hatten vor ihrer Videokonferenz am Donnerstagabend bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch beraten. Trotzdem schoben sie den Streit um Anleihen weiter hinaus. Ihre Abschlusserklärung verspricht nur, neben der halben Billion Euro Soforthilfe einen befristeten «Wiederaufbaufonds» zu schaffen, der nach der Pandemie Konjunkturspritzen unterstützen wird. Wie gross der Topf sein soll, ob er Teil des EU-Haushalts sein und wie er gefüllt werden wird, bleibt offen. Die Minister bitten ihre Vorgesetzten, die Staats- und Regierungschefs, um «Orientierung». Sie sollen dem Hilfspaket in zwei Wochen bei einem Videogipfel zustimmen.

Das Hilfspaket besteht aus drei Teilen

Gemeinsame Schulden werden in der fünfseitigen Erklärung nicht erwähnt als Option für den Topf; es heisst aber immerhin, «innovative Finanzinstrumente» sollten Teil der Debatte sein. Italiens Finanzminister Gualtieri schrieb daher auf Twitter, Corona-Anleihen «liegen immer noch auf dem Tisch». Doch die deutsche und die niederländische Regierung machten prompt klar, dass ihre Ablehnung fortwährt.

Das vereinbarte Hilfspaket setzt sich aus drei Teilen zusammen: Erstens soll die Europäische Investitionsbank mit Bürgschaften 200 Milliarden Euro an Darlehen für Mittelständler ermöglichen. Dafür müssen die Mitgliedsstaaten 25 Milliarden Euro Garantien zur Verfügung stellen. Zweitens wird die EU-Kommission günstige Kredite gewähren, falls Ausgaben für Kurzarbeitergeld stark steigen. Es geht um bis zu 100 Milliarden Euro; auch hier müssen die Regierungen Garantien einbringen. Drittens bietet der Euro-Rettungsschirm ESM Kredite von maximal 240 Milliarden Euro an. Länder können bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung als Darlehen reservieren lassen.

Die Videokonferenz wäre fast gescheitert, weil sich Italien und die Niederlande lange nicht auf die Bedingungen der ESM-Kredite einigen konnten. Den Haag kämpfte für die üblichen harten Auflagen, war damit aber isoliert. Premier Mark Rutte scheint es nicht zu stören, sich damit mindestens in ganz Südeuropa äusserst unbeliebt zu machen: Von Protesten aus Italien und Spanien solle man sich «nicht beeindrucken lassen», sagt er.

Lässt sich von Protesten aus Südeuropa nicht beeindrucken: Der niederländische Premier Mark Rutte.