Interview mit Tessiner Tourismus-Chef«In der Schweiz ist eine Werbeschlacht im Gang»
Über die Feiertage haben die Touristen das von Corona besonders betroffene Tessin zurückerobert. Angelo Trotta, der neue Tessiner Tourismus-Chef, will mehr Werbung für den Südkanton machen, um mit der restlichen Schweiz mithalten zu können.
Wie geniessen Sie die wiedergewonnene Normalität im Tessin?
Ich fuhr mit dem Velo ins Onsernone-Tal, hatte aber die Steigungen unterschätzt und kam ganz schön ins Schwitzen. Und ich habe mich auf der Piazza von Ascona über den lebhaften Betrieb gefreut - dank vielen Gästen aus der Deutschschweiz. Was mir besonders gefallen hat über die Feiertage: Die Romands waren gut vertreten im Tessin.
In einer Woche gehen die Grenzen zu den Nachbarländern auf: Kommen auch die ausländischen Touristen ins Tessin zurück?
Wir rechnen in diesem speziellen Jahr mit höchstens 20 Prozent ausländischen Touristen. Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem inländischen Markt. In der Schweiz ist eine Werbeschlacht um Feriengäste
im Gang. Das Wallis, Graubünden, das Waadtland - alle Regionen beteiligen sich.
«Die sauberen Gewässer müssen wir besser vermarkten. Wären unsere Seen und Flüsse in Italien, würden überall blaue Flaggen wehen.»
Kann das Tessin finanziell mithalten?
Wir möchten zumindest einen Betrag von 2,5 Millionen Franken, wie ihn das Wallis zur Verfügung hat, ins Marketing investieren. Wir sind im Zuge der Corona-Krise mit den kantonalen Behörden im Gespräch, um eine Finanzspritze für diesen Marketing-Effort zu erhalten. Obwohl es wieder angezogen hat, rechnen Ticino Turismo und die vier regionalen Tourismusorganisationen 2020 mit 10 bis 14 Millionen Franken weniger Einnahmen an Tourismustaxen.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Marketing für einen Luxusbrand wie Gucci und jenem für die Sonnenstube der Schweiz?
Marketing ist Marketing, die Instrumente bleiben gleich. Aber im Tourismus fehlt mir die Kontrolle über das Produkt. Ausserdem ist der politische Einfluss gross, gerade auf eine Tourismusorganisation wie die unsere. Nicht zu unterschätzen: Tourismus ist in den Medien ständig präsent. Im Tessin, aber auch in der übrigen Schweiz herrscht eine enorme Mediendichte. Alle wollen die besten News. Das garantiert uns immerhin eine Reichweite, die wir mit unseren beschränkten Marketinggeldern nie kaufen könnten.
Was lernt das Tessin aus der Corona-Krise?
Die Leute hier haben definitiv realisiert, wie wichtig der Tourismus für den Kanton ist. Er trägt nicht nur 12 Prozent zur Volkswirtschaft bei, Touristen sorgen auch für Leben. In der Corona-Krise hat man gesehen, wie trist die Piazza von Locarno oder die Innenstadt von Lugano ohne Touristen sein kann. Ich denke aber auch, dass wir uns um nachhaltigeren Tourismus bemühen müssen. Ich möchte hier ein Bike-Konzept wie in Graubünden aufziehen, mit entsprechender Infrastruktur und Biker-Hotels. Und die sauberen Gewässer müssen wir besser vermarkten. Wären unsere Seen und Flüsse in Italien, würden überall blaue Flaggen wehen.
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