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Deutschland und Spanien besiegt
Japan bricht Rekorde und überwindet die «Tragödie von Doha»

Jubel nach dem Sieg gegen Spanien: Japan hat am Montag gegen Kroatien die Chance, den ersten WM-Viertelfinal seiner Geschichte zu erreichen.

In Japan gibt es fast 60’000 Konbini. Das sind kleine Läden, 24 Stunden offen und für alles Mögliche zuständig. Die Menschen kaufen dort Esswaren oder begleichen ihre Telefon- und Stromrechnung. Und dann betreiben die Konbini noch Drucker. Manchmal, wenn im Land etwas Besonderes passiert, bedrucken sie Papier im Akkord. Zum Beispiel mit der Sonderbeilage, die die Zeitung «Nikkan Sports» am frühen Morgen produziert hat. Der Anlass: Um 4 Uhr in der Nacht japanischer Zeit hatte Japan gegen Spanien gespielt – und 2:1 gewonnen.

Als Erster der Gruppe E steht Japan an der WM in Katar im Achtelfinal. Das Team hat nicht nur Spanien bezwungen, sondern auch gleich Deutschland, das schon wieder in der Vorrunde gescheitert ist.

Nach dem 2:1 gegen Spanien sagt der zweifache Turniertorschütze Ritsu Doan: «Ich glaube, die Menschen in Japan sind jetzt davon überzeugt, dass der Sieg gegen Deutschland kein Wunder war, sondern unausweichlich.»

Millimeter entschieden das Spiel gegen Spanien. Doan spielte den Ball quer durch den Strafraum. Kaoru Mitoma legte ihn von der Grundlinie zurück zur Mitte, wo Ao Tanaka zum 2:1 einköpfelte. Und der Ball vor dem Assist, fast im Aus, wird als eines der Bilder dieser WM in Erinnerung bleiben. Mitoma, der ihn gerade noch erreichte, sagt in den japanischen Medien: «Ich habe mein Bein ausgestreckt und gedacht: Wie schön wäre es, wenn der Ball auch nur einen Millimeter im Feld bleibt.»

Ein Bild für die WM-Geschichtsbücher: Kaoru Mitoma erreicht den Ball gerade noch, spielt ihn zurück – und Japan erzielt gegen Spanien den Siegtreffer.

Kurz vor Spielende denkt Japans Trainer Hajime Moriyasu an die Zeit, als er selber noch für die Nationalmannschaft spielte: «In den letzten Minuten holte mich die Erinnerung an die Tragödie von Doha ein», sagt er. Moriyasu stand auf dem Feld, als Japan 1993 einen der grössten Rückschläge seiner Fussballgeschichte erlebte. Gegen den Irak lag Japan 2:1 in Führung. Dann fiel in der Nachspielzeit der Ausgleich. Der Schweizer Schiedsrichter Serge Muhmenthaler pfiff ab – und Japan verpasste die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in den USA. Japan wäre zum ersten Mal an eine WM gefahren.

Hätte Japan in Katar gegen Spanien noch das 2:2 kassiert, das Team wäre ausgeschieden und die nächste Tragödie in Doha Tatsache gewesen. So aber schreibt die Zeitung «Chunichi»: «Japan hat die Erinnerungen an eine Tragödie überwunden.»

Japan bricht zwei Rekorde

Zum vierten Mal steht Japan in einem WM-Achtelfinal und trifft dort auf Kroatien. Mit einem Team, das vor allem aus Profis aus der deutschen Bundesliga besteht. Von den 15 Spielern, die in der Vorrunde mehr als 90 Minuten auf dem Platz standen, spielen sieben in der ersten oder zweiten Bundesliga. Die anderen sind in Japan, England, Schottland, Frankreich, Spanien und Portugal engagiert.

Zusammen zelebrieren sie einen Fussball, der so einfach ist wie die Zusammensetzung der japanischen Flagge. In einer Szene gegen Deutschland erkämpften sie sich den Ball tief in der eigenen Platzhälfte, danach gab es kein Halten mehr, zwei Pässe später lag der Ball im Tor. Der Treffer zählte wegen einer knappen Abseitsstellung nicht. Aber die Szene steht für Japans Fussball: Bälle erobern, losrennen, schiessen.

Alles beginnt mit dem Sieg gegen Deutschland: Japan freut sich, Niklas Süle (Mitte) geht betrübt ab.

Gegen Mannschaften wie Deutschland oder Spanien bleibt einem Team wie Japan auch nichts anderes übrig; Gegner, die ständig den Ball haben und einen Pass nach dem anderen spielen. Japan ist das einzige Team der WM-Geschichte, das Spiele gewonnen hat, wenn der Gegner mehr als 700 Pässe spielte. Und noch nie hat ein Team ein WM-Spiel gewonnen, wenn es wie Japan gegen Spanien nur 18 Prozent Ballbesitz hatte. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Japan bei der einzigen Niederlage in der Vorrunde mehr Ballbesitz hatte als Costa Rica.

Im WM-Viertelfinal war Japan noch nie

In seiner Einfachheit hat Japans Fussball etwas Klinisches. Er passt zu den Bildern, die wie an früheren Turnieren auch in Katar die Runde machen. Zuschauer räumen nach dem Schlusspfiff die Tribünen auf, mit Plastiksäcken, die der japanische Fussballverband verteilt. Das Team hinterlässt die Garderobe, als wäre es nie da gewesen. Trainer Moriyasu sagte in der «New York Times» einmal: «Wenn du einen Ort verlässt, musst du ihn sauberer hinterlassen, als er vorher war.»

Hajime Moriyasu war als Trainer dreimal japanischer Meister, 2022 hat er mit Japan die Ostasienmeisterschaft gewonnen. Doch der Einzug in den WM-Achtelfinal ist sein grösster Erfolg.

Es gibt eine Szene in Katar, wie ein Stadionmitarbeiter seinen Dank an die japanischen Fans mit einem Megafon auf die Tribüne brüllt. Katar muss es freuen, dass diese Nation dem Turnier erhalten bleibt.

2002 scheiterte Japan im WM-Achtelfinal an der Türkei, 2010 an Paraguay und 2018 an Belgien. Jetzt soll endlich der erste Viertelfinal her. «Wir sind einen Sieg vom Neuland entfernt», schreibt «Yomiuri Shimbun», Japans grösste Tageszeitung.

Am Montag trifft Japan auf Kroatien. Anpfiff ist um Mitternacht japanischer Zeit, zu spät für den Redaktionsschluss der Zeitungen. Wenn das Team den Viertelfinal erreicht, das Neuland in seiner Fussballgeschichte, dann werden also wieder Sonderbeilagen produziert. Und die Konbini können sich schon mal darauf einstellen, dass sie ihre Drucker brauchen werden.