25 Prozent weniger im AprilIn Schweizer Corona-Hochburgen brechen Start-ups zusammen
Firmengründungen gehen besonders stark zurück, wo die Infektionsraten am höchsten sind. Warum das so ist und ob nach der Krise der Boom kommt.
Krise als Chance? Das sehen Jungunternehmer offenbar anders. In Genf, Freiburg und im Tessin hat die Corona-Krise dem Gründerboom einen herben Dämpfer verpasst. Dort ist die Zahl der neu gegründeten Firmen während des Lockdown um über die Hälfte eingebrochen. Nur wenig besser sieht es im Waadtland und im Wallis aus, wie Daten der Wirtschaftsauskunftei CRIF zeigen. Auffällig ist, dass die Zahl der Gründungen gerade in den Kantonen besonders stark schrumpfte, in denen es gemessen an der Bevölkerung die meisten Corona-Fälle gab.
Woran liegt das? Hat die Gründer in den französischen Landesteilen und im Tessin angesichts der Krise der Mut verlassen? Eine Rolle gespielt haben könnte die Nähe zu Italien und Frankreich, erklärt Christian Maron, Leiter Analytik und Risikobewertung bei CRIF. Beide Länder hat die Pandemie deutlich stärker getroffen als etwa Deutschland. Im Tessin brachen die Neugründungen um 53 Prozent ein, in den französischsprachigen Kantonen zusammengenommen um 47 Prozent. In der Deutschschweiz hingegen nur um 25 Prozent – jeweils bezogen auf den Zeitraum vom 16. März bis 11. Mai.
Der Unterschied liege auch daran, dass das öffentliche Leben in den besonders stark betroffenen Kantonen rasch zum Stillstand kam und dort Ämter und Behörden vielfach geschlossen waren, sagt Simon May, Geschäftsführer des Instituts für Jungunternehmen (IFJ). «Der Lockdown war dort schnell und heftiger.»
«Man hat sich zuerst um die Gesundheit, seine Liebsten oder das Geschäft gekümmert, bevor man andere Projekte in Angriff genommen hat.»
Vielfach sei die für Firmengründungen wichtige juristische Beratung oder eine notarielle Beglaubigung nicht vor Ort möglich gewesen. Zudem hätten die Menschen dort wohl andere Sorgen gehabt. «Man hat sich zuerst um die Gesundheit, seine Liebsten oder das Geschäft gekümmert, bevor man andere Projekte in Angriff genommen hat», begründet May die Differenzen.
Online-Gründungen boomen
Doch nicht alle wollten mit der Gründung zuwarten. Viele sind auf digitale Kanäle ausgewichen und haben ihr neues Unternehmen online gegründet: In den ersten vier Monaten waren das beim IFJ 40 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Formulare können die Jungunternehmer selbst zu Hause ausdrucken und unterschreiben. Der gesamte juristische und notarielle Prozess der Gründung erfolgt ebenfalls digital. Der Gründer muss nur einmal zum Briefkasten.
Der Online-Boom kann den Einbruch bei analogen Firmengründungen jedoch nicht kompensieren. Insgesamt gingen die Gründungen nach Angaben des IFJ allein im April um 25 Prozent zurück. «Das ist schon einschneidend», sagt May. «Ich erwarte, dass es im Mai noch ähnlich aussieht.» Besonders deutlich fiel das Minus im Kultur- und Unterhaltungsbereich aus, während die Finanz- und Versicherungsbranche vergleichsweise wenig betroffen war, wie die Daten von CRIF zeigen.
Erholung ab der zweiten Jahreshälfte
Erst ab der zweiten Jahreshälfte könnte es zu einer Erholung kommen – auch weil es einen Nachholbedarf gibt, wie May erklärt. Denn auch in schwierigen Zeiten werden Firmen gegründet: Sei es, weil Leute Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben und deshalb lieber etwas Eigenes ins Leben rufen oder sich nach einem Stellenverlust selbstständig machen. Für andere – etwa Lieferdienste – biete gerade die Krise eine Geschäftschance.
Doch nur etwa die Hälfte der 44’000 jährlichen Neueinträge in der Schweiz sind klassische Firmengründungen – etwa wenn jemand seine Idee verwirklichen will. Die andere Hälfte entfällt auf Stiftungen, Vereine, Genossenschaften oder grosse Konzerne und zahlreiche Gründungen zwecks Steueroptimierung wie Briefkastenfirmen. Auch sie hätten ihre Aktivitäten während der Krise zurückgestellt und dürften sich nun wieder hochfahren, sagt May. Dadurch dürfte die Zahl der Gründungen in den kommenden Monaten ebenfalls wieder steigen.
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