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Massenboostern in Grossbritannien
Impfoffensive bringt Gesundheitswesen ans Limit

Anstehen für die dritte Impfung: Warteschlange beim St.-Thomas-Spital in London.
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Lange Schlangen bildeten sich auch am Dienstag vor den Impfzentren in ganz Grossbritannien. Stundenlang standen unzählige Impfwillige für einen Booster an. Viele mussten jedoch befürchten, wegen des enormen Andrangs gar nicht zum Zug zu kommen. Im Kampf gegen die Omikron-Variante möchte Premierminister Boris Johnson mehr als 20 Millionen Erwachsenen bis Ende Jahr die Auffrischimpfung verabreichen lassen.

Bisher haben rund 24 Millionen Personen in Grossbritannien einen Booster erhalten – etwas mehr als die Hälfte aller doppelt Geimpften auf der Insel. Um die andere Hälfte bis Neujahr zu impfen, müssten pro Tag 1,2 Millionen Impfungen vorgenommen werden. Das wäre das Dreifache der bisherigen Impfleistung. Die meisten Experten sehen jedoch wenig Chancen für eine Umsetzung des Johnson-Versprechens vor Ende Januar.

Verantwortliche des nationalen Gesundheitswesens befürchten, dass mit diesem Kraftakt das ganze System funktionsuntüchtig werden könnte.

Die Regierung will aber nichts unversucht lassen. Sie hat alle Haus- und Fachärzte sowie Spitalmitarbeitende aufgefordert, ihre normale Patientenbetreuung zu reduzieren und umgehend für die Massenimpfungen zur Verfügung zu stehen. Neue Impfzentren und mobile Impfstationen werden in den nächsten Tagen eröffnet. Zehntausende Freiwillige sollen helfen. 750 Armeeangehörige sind für Planung und Transport im Einsatz.

Seine Corona-Politik steht immer wieder in der Kritik: Boris Johnson in der Fragestunde im Unterhaus. 

Zahlreiche Ärzte zeigten sich völlig überrascht von der Weisung der Regierung. «Das Gesundheitswesen ist schon jetzt unter gewaltigem Druck», erklärte Chris Hopkins, Direktor des Dachverbands NHS Providers. «Die Zahl der Impfungen auf diese Weise zu steigern, ist eine riesige Herausforderung.» Vor allem fürchten die Verantwortlichen des nationalen Gesundheitswesens NHS, dass mit diesem Kraftakt das ganze System funktionsuntüchtig werden könnte.

Angesichts der nun auch von Premier Johnson beschworenen «Flutwelle» drohender Omikron-Fälle kommen alle Bemühungen um die fast sechs Millionen Patienten, die teils seit Monaten auf Behandlung und Operationen warten, erneut ins Stocken im ganzen Land. In Sorge vor einer totalen Überlastung des Gesundheitswesens hat der NHS in der Nacht auf Dienstag eine «nationale Notlage» erklärt.

Die Spitäler sind angewiesen worden, so viele bettlägerige Patienten wie möglich vor Weihnachten zu entlassen und in Pflegeheime zu überstellen oder nach Hause zu transportieren. In einigen Hotels werden bereits provisorische Pflegestationen eingerichtet. Ausländische Fachkräfte sollen in aller Eile eingeflogen werden, um den akuten Personalmangel auszugleichen. Ohne ausreichenden Personalbestand werde man Mitte Januar womöglich manche Spitäler schliessen müssen, liessen Berater der Regierung verlauten.

Ambulanzfahrer sind inzwischen angewiesen worden, ihre Patienten schnellstmöglich in die verfügbaren Notaufnahmen zu bringen – nicht um ihnen lange Wartezeiten in den Rettungswagen vor den Spitälern zu ersparen, sondern um mit ihren Fahrzeugen bei neuen Notrufen schneller wieder verfügbar zu sein.

Boostern reicht nicht gegen Omikron

In grösster Sorge angesichts dieser Entwicklung fordern Ärzteverbände und andere Experten sehr viel weiter reichende Massnahmen zur Eindämmung der erwarteten Omikron-Welle. Sie verweisen darauf, dass Gesundheitsminister Sajid Javid die tägliche Infektionsrate inzwischen auf rund 200’000 schätzt. In London soll bereits die Hälfte aller Fälle zulasten der neuen Virusvariante gehen.

Die Regierung verlasse sich vollständig auf ihre Booster-Programme und lasse zusätzliche Massnahmen zur Eindämmung Omikrons ausser Acht, klagte der Vorsitzende des Ärztebundes BMA, Chaand Nagpaul. Der BMA ist nicht der Meinung, dass Omikron mit Booster-Impfungen allein zu stoppen sein wird. Er verlangt Obergrenzen für öffentliche Zusammenkünfte, Vorschriften für bessere Lüftungen in Schulen oder auch die Einführung von FFP2-Masken. Solche Massnahmen hat die Regierung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.