WM 2022 in KatarImmer die Erste: Sie pfeift morgen das Spiel der Deutschen
Stéphanie Frappart wird als erste Frau ein Spiel eines WM-Turniers der Männer leiten. Sie musste in ihrer Karriere einige Hürden überwinden.
Am Donnerstagabend steht für Deutschland viel auf dem Spiel. Die stolzen Weltmeister von 2014 spielen gegen Costa Rica, verlieren sie, reisen sie zum zweiten Mal hintereinander nach den Gruppenspielen nach Hause. Um viel geht es an jenem Abend aber auch für Stéphanie Frappart. Sie wird das 44. Spiel dieses Turniers leiten – als erste Frau bei einer Männer-WM.
Neben 33 Schiedsrichtern hat die Fifa für Katar drei Schiedsrichterinnen aufgeboten: die Französin Frappart, die Ruanderin Salima Mukansanga und die Japanerin Yoshimi Yamashita. Zum Einsatz kamen sie bisher als vierte Offizielle. Dass nun Frappart die erste aus dem Trio ist, die auch ein Spiel leiten darf, ist wenig überraschend, sie ist jene mit der grössten Erfahrung auf diesem Level.
Der Aufstieg Frapparts ist steil, bei den Frauen leitet sie schon länger Spiele der grossen Turniere, 2019 zum Beispiel den WM-Final zwischen den USA und der Niederlande. Bei den Männern war sie Pionierin, als sie 2019 im Uefa-Supercup zwischen Chelsea und Liverpool zum Einsatz kam und 2020 in der Champions-League-Partie Juventus Turin gegen Dynamo Kiew. International pfiff davor nur die Schweizerin Nicole Petignat: 2004 und 2008 je ein Spiel in der Qualifikation des Uefa-Cups, der heutigen Europa League.
Und jetzt also kommt der WM-Auftritt Frapparts. «Ich war die erste Schiedsrichterin bei den Männern in Frankreich, die erste in der Champions League, immer die erste. Ich weiss, wie ich damit umgehen muss», sagte die 38-Jährige kürzlich in einem Interview mit «The Athletic». Und auf die Frage, ob sie nicht besorgt sei, antwortete sie: «Wenn sie dich auf diesem Level nominieren, dann ist das, weil du die Qualität dafür hast.»
Der Spruch mit den Schlittschuhen
Mit 13 leitete Frappart erstmals Spiele der Junioren in Herblay-sur-Seine, dem Ort, in dem sie aufwuchs, nordwestlich von Paris. Zum Fussball kam sie dank ihrem Vater, einem Amateur. «Samstags spielte ich selbst, sonntags war ich Schiedsrichterin», sagt Frappart. Noch bevor sie 20 war, beendete sie ihre Karriere als Spielerin und begann, Sport zu studieren. Dem Arbitrieren blieb sie treu, ohne jemals daran zu denken, einmal eine solch wichtige Rolle zu einzunehmen.
Bei all den Erfolgen und Meilensteinen wurden auch Misogynie und Sexismus zu steten Begleitern, vor allem in den sozialen Medien. Frappart liest längst nichts mehr über sich, sie weiss, dass sich die Familie Sorgen macht. Doch auch im echten Leben gab es hin und wieder Missgunst. Als David Le Frapper, vor einigen Jahren Trainer beim Ligue-2-Verein Valenciennes, mit einer Entscheidung nicht zufrieden war, fand er, Frappart sei vielleicht gerade beim Schlittschuhlaufen gewesen. Und er fügte an: «Als Frau in einen Männersport zu kommen, ist kompliziert.» Kurz darauf entschuldigte er sich.
Frappart selbst sagt: «Ich bin nicht so gross und stark wie die Spieler, damit muss ich umgehen können.» Die 38-Jährige misst 164 Zentimeter und ist somit kleiner als die meisten Spieler der WM. «Man muss eine Körpersprache entwickeln, die die Spieler verstehen», sagt sie, «damit kann viel erreicht werden». Das verschafft ihr auf dem Platz Respekt. Pierre Bouby, ein ehemaliger Fussballer in der zweithöchsten französischen Liga, sagte einst über Frappart: «Ihre Stimme ist leise, aber sie hat Charisma, ist diplomatisch und versucht nicht, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.»
Am Donnerstag assistieren Frappart die Brasilianerin Neuza Back und die Mexikanerin Karen Diaz Medina sowie als vierter Offizieller der Honduraner Said Martinez. Back, eine der Linienrichterinnen, war 2021 schon einmal in Katar im Einsatz, als sie beim Final der Club-WM zwischen den Bayern und dem mexikanischen Verein Tigres zum Schiedsrichterteam gehörte. Bei der Siegerzeremonie vermied es Scheich Joaan bin Hamad al Thani, ein Mitglied des katarischen Königshauses, ihr die Hand zu schütteln. Ein Missverständnis, hiess es danach, schuld sei Covid und nicht etwa religiöse Gründe – für Back und Kolleginnen wie Frappart einfach eine weitere Hürde im Fussball der Männer.
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