Korruption im Fussball Im Fifa-Skandal bekommt die Bundesanwaltschaft eine letzte Chance
Der ehemalige Generalsekretär der Fifa ist angeklagt, weil er TV-Rechte vergeben und im Gegenzug eine Villa und Millionen Euro bekommen haben soll. Am Montag hat das Verfahren trotz Abwesenheit eines Angeklagten in Bellinzona begonnen.
Am 24. Oktober 2013 betritt Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke gegen 16 Uhr am Stadtrand von Paris ein Glasgebäude, in dem al-Jazeera Sports seinen Sitz hat. Valcke hat an jenem Tag einen Termin beim Chef des Sportkanals, dem ehemaligen Spitzensportler Nasser Al-Khelaifi. Der heute 46-jährige Katarer ist auch Präsident des Fussballclubs Paris Saint-Germain.
Bei diesem Treffen macht Al-Khelaifi seinem Freund aus der Fifa ein verlockendes Angebot: Er, Al-Khelaifi, werde auf Sardinien die prächtige Villa Bianca kaufen. Zwei Jahre dürfe Valcke dann die Villa kostenlos benutzen, bevor sie dann in sein Eigentum übergehe – vorausgesetzt, dass zwischen den beiden «weiterhin Vertrauen besteht». So steht es in der Anklageschrift der Schweizer Bundesanwaltschaft, die dieser Zeitung vorliegt.
Millionen für TV-Rechte
Wenige Monate nach dem Treffen von Valcke und Al-Khelaifi bekommt al-Jazeera Sports, das nun schon BeIN Sports heisst, von der Fifa die exklusiven Rechte für Nordafrika und den Nahen Osten für die Ausstrahlung der Fussballweltmeisterschaften 2026 und 2030. Die Staatsanwälte des Bundes sehen darin einen klaren Fall von Korruption: Der Repräsentant der Fifa vergibt die TV-Rechte und bekommt im Gegenzug eine Luxusvilla.
Ab diesen Montag wird der Fall vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verhandelt. Nicht anwesend war der griechische Geschäftsmann Konstantinos Nteris. Er hatte ärztliche Atteste vorgelegt, die zwei Herzoperationen belegen sollten. Nteris hätte neben Jérôme Valcke und Nasser Al-Khelaifi auf der Anklagebank sitzen sollen. Er soll laut Bundesanwaltschaft dem Fifa-Funktionär Valcke Millionen für die WM-Fernsehrechte für Griechenland und Italien gezahlt haben. Alle drei bestreiten die Vorwürfe. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Dieser Prozess könnte eine letzte Chance für die Bundesanwaltschaft sein, ihre Glaubwürdigkeit in den Verfahren um Korruption im internationalen Fussball wiederherzustellen. Denn die ist in den vergangenen Monaten schwer beschädigt worden: Erst erklärte das Bundesstrafgericht Bundesanwalt Michael Lauber und zwei zuständige Staatsanwälte im Fall Valcke/Khelaifi wegen nicht protokollierter Treffen mit Fifa-Funktionären für befangen. Dann folgte die Verjährung der Ermittlungen zur mutmasslichen Korruption bei der Vergabe der Fussball-WM 2006. Und schliesslich musste Michael Lauber wegen seiner zu engen Beziehungen zur Fifa zurücktreten.
Symbol der Käuflichkeit
Jetzt aber bekommen die Staatsanwälte des Bundes noch eine Chance für eine Verurteilung von Jérôme Valcke – jenes Mannes, der die Käuflichkeit der Fifa während der Ära Sepp Blatter am besten symbolisiert. Laut Bundesanwaltschaft wäre Valcke als Fifa-Angestellter mit einem Arbeitsvertrag, der schweizerischem Recht unterliegt, verpflichtet gewesen, «über alles, was er in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit für die Fifa erhalten hat, Rechenschaft abzulegen und der Fifa zurückzugeben». Zudem verbieten die internen Regeln der Fifa, die Einforderung oder die Annahme von Geschenken, wenn sie mehr als nur symbolischen Wert haben.
Ihre Anklage gegen Nasser al-Khelaifi musste die Bundesanwaltschaft allerdings noch in letzter Minute ändern. Die Fifa zog nämlich Anfang 2020 ihre Privatklage wegen Bestechung gegen den Katarer Al-Khelaifi zurück. Nun steht er wegen Anstiftung zur illoyalen Geschäftsführung vor Gericht. Der Genfer Anwalt Marc Bonnant, der gemeinsam mit seinem Kollegen Grégoire Mangeat Al-Khelaifi verteidigt, sieht darin eine «Verrenkung» der Anklage, die überhaupt keinen Sinn ergebe: Weil Valcke nicht verpflichtet gewesen sei, ein Geschenk der Fifa zu melden, habe Al-Khelaifi ihn gar nicht zu einer Pflichtverletzung anstiften können.
Der Anwalt spricht von einem «exzellenten Deal»
Der Anwalt fügt hinzu, dass die Fifa einen «exzellenten Deal» bekommen habe: Ausser al-Jazeera/BeIN hätte kein Unternehmen im Nahen Osten die TV-Rechte für zwei Weltmeisterschaften zum atemberaubenden Preis von 480 Millionen Dollar kaufen können.
Die Fifa hat zwar ihre Klage gegen Nasser Al-Khelaifi fallen gelassen, gegen ihren ehemaligen Generalsekretär Jérôme Valcke geht sie aber weiterhin gerichtlich vor. Sie schätzt den Wert der Villa auf Sardinien auf zwischen 1,4 und 2,3 Millionen Euro. Und fordert nun einen Betrag in dieser Höhe von Valcke als Entschädigung. Der Prozess in Bellinzona soll bis zum 25. September dauern.
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