Krimi der WocheIhre Lover überleben nicht
Ayoola verdreht Männern reihenweise den Kopf und lässt Romanzen böse enden. «Meine Schwester, die Serienmörderin» ist eine unterhaltsame Groteske aus Nigeria.
Der erste Satz
Ayoola ruft mich mit diesen Worten herbei: Korede, ich habe ihn umgebracht.
Das Buch
Korede hatte «gehofft, diese Worte nie mehr zu hören». Doch ihre jüngere Schwester Ayoola hat es wieder getan. Sie hat einen Mann umgebracht, ihren aktuellen Lover. Und Korede muss ihr nun helfen, die Sauerei zu beseitigen: den Tatort putzen, die Leiche beseitigen. Gut, ist die Krankenschwester sehr praktisch veranlagt. Und es ist ja auch nicht das erste Mal, dass die Schwester in einer solchen Situation ihre Hilfe braucht.
So beginnt der erste Roman der nigerianischen Autorin Oyinkan Braithwaite, mit dem sie in der englischsprachigen Welt Furore machte. «Meine Schwester, die Serienmörderin» stand letztes Jahr auf der Longlist für den Booker Prize, den wichtigsten britischen Literaturpreis, und in den USA war das Buch für manche Kritiker der beste Kriminalroman des Jahres.
Schauplatz des mörderischen Geschehens ist Lagos, eine der grössten Städte Afrikas. Bei der Vertuschung der Morde hilft den Schwestern, dass die Polizei korrupt ist und auch nicht über die neuesten forensischen Techniken verfügt. Aber die Geschichte handelt viel mehr von der Beziehung zwischen zwei ungleichen Schwestern in einer patriarchalen Gesellschaft als von den kriminellen Taten.
Korede, die Icherzählerin, ist tüchtig und zuverlässig. Sie arbeitet in einem Spital, wo sie mit wenig Erfolg den sympathischen Arzt Tade anhimmelt. Von ihren Sorgen erzählt sie gerne einem seit Wochen im Koma liegenden Patienten. Sie ist gross und schlank, wie eine Eins, und nicht so hübsch wie ihre kleine Schwester, die kurvig wie eine Acht ist und Männern im Nu den Kopf verdreht.
«Du bist jetzt eine grosse Schwester, Korede», erklärte die Mutter, als Ayoola zur Welt kam. «Und grosse Schwestern passen auf ihre kleinen Schwestern auf.» Das tut Korede immer noch, auch wenn die Kleine inzwischen erwachsen ist. Neues Unheil kündigt sich an, als Ayoola unangekündigt ihre grosse Schwester im Spital besucht. Und hier Tade über den Weg läuft, der gleich hin und weg ist. Mehr Sorgen als darüber, dass ihr die Schwester ihren Schwarm wegschnappt, macht Korede sich über die Zukunft des Arztes, da sie weiss, wie die Liebhaber ihrer Schwester jeweils enden.
«Meine Schwester, die Serienmörderin» ist eine muntere Groteske. Braithwaite erzählt flott, in kurzen Kapiteln und mit Sinn für schwarzen Humor, Ironie und zuweilen Sarkasmus. Auch wenn gesellschaftliche Realitäten keineswegs ausgeblendet werden und auch von einem Familienleben unter einem tyrannischen Vater erzählt wird, bleibt der Roman etwas leichtgewichtig. Aber unterhaltsam ist er alleweil.
Die Wertung
- Originalität: ★★★★☆
- Spannung: ★★★☆☆
- Realismus: ★★★☆☆
- Humor: ★★★★☆
- Gesamteindruck: ★★★★☆
Die Autorin
Oyinkan Braithwaite, geboren 1988 in Lagos, Nigeria, ist in Nigeria und in Grossbritannien aufgewachsen. Sie studierte Jura und kreatives Schreiben an der Surrey University in Guildford und an der Kingston University London. 2010 veröffentlichte sie einen Band mit Kurzgeschichten. 2012 kehrte sie in die nigerianische Millionenstadt Lagos zurück, wo sie beim Verlag Kachio arbeitete.
Ihr Romandebüt, das zunächst 2017 unter dem Titel «Thicker than Water» in Nigeria als E-Book erschien und dann 2018 vom New Yorker Verlag Doubleday mit dem Titel «My Sister, the Serial Killer» als Buch herausgegeben wurde, ist international erfolgreich. Es war 2019 für den renommierten Booker Prize nominiert und wurde von der «Los Angeles Times» als «Best Crime Thriller 2019» ausgezeichnet. Oyinkan Braithwaite lebt als freie Autorin in Lagos.
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