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Kunst für ein Walliser Dorf
Ihr Hotel hat weder Dach noch Mauern

Die St. Galler Aktionskünstler und Zwillinge Frank und Patrik Riklin (rechts) posieren vor einem Zimmer ihres Nullsternhotels.
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Wo die Zwillingsbrüder Frank und Patrik Riklin auftauchen, sorgen sie für Unterhaltung. Gern provozieren die Aktionskünstler auch hitzige Debatten: über das Wesen der Kunst etwa, aber auch über gesellschaftliche und ökonomische Zwänge. Möglicherweise auch in diesem Sommer, wenn sie sich über den Röstigraben in die Romandie vorwagen. In der Gemeinde Saillon, im Herzen des Welschwallis also, werden sie ihr nächstes Nullsternhotel installieren. 

Für die weit gereisten St. Galler ist die Präsenz im Welschland eine Premiere und auch ein Moment der Wahrheit, wie es um ihr Schulfranzösisch steht. Er sei erstaunt, wie ungehemmt er nach wie vor in Französisch parliere, sagt Patrik Riklin. Die Sprache sollte sitzen, wenn es für die Zwillingsbrüder darum geht, die Behörden und die Bevölkerung in ihre Antithese zur Luxushotellerie einzuführen. Eine These, die in den letzten Jahren in der halben Welt zu reden gab. 

Trotz Hotel ohne Stern steht den Gästen in Frank und Patrik Riklins Suiten ein Butler zur Verfügung. 

Die Erfolgsgeschichte begann 2008, als die 48-Jährigen ihr erstes Nullsternhotel eröffneten, in einem Zivilschutzbunker in Sevelen SG. 2016 zogen sie mit einer Freiluftversion ohne Dach und Wände und einem absoluten Minimum an Intimität ins Safiental (GR). Zwischen 2017 und 2020 installierten sie in Ostschweizer Landschaften weitere Hotelzimmer. Nach zwei Jahren Pause tauchen sie nun in Saillon auf. Fürs Wallis haben sie in ihrem gemeinsamen Atelier für Sonderaufgaben eine neue Nullsternversion entwickelt, als Antwort auf Verunsicherungen, die die Corona-Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine und der Klimawandel mit sich bringen.

«Wir bieten den Gästen Raum, um über Grenzen und Normen von Luxus und Standards der Hotellerie nachzudenken.»

Frank Riklin, Aktionskünstler

«Immobilienbefreite Suiten» nennt Patrik Riklin die Zimmer. Die Landschaft der Schweiz werde «zur Tapete der Zimmer», sagt er. Sein Bruder Frank ergänzt: «Wir bieten den Gästen Raum, um über Grenzen und Normen von Luxus und Standards der Hotellerie nachzudenken.»

Ein Nullsternhotel-Zimmer im Heidiland. Nicht immer wählen die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin idyllische Orten wie diesen oberhalb von Walenstadt.

Ganz ohne Wohlstandssymbol lassen die Konzeptkünstler ihre Gäste aber nicht in ihren Betten liegen. Für jedes Zimmer ist ein livrierter Butler im Einsatz, der den Gästen das Bett macht und das Frühstück an der Bettkante serviert. «Der moderne Butler ist die subversive Essenz der Nullsternphilosophie», sagt Patrik Riklin. Die Bediensteten werden derzeit rekrutiert und ausgebildet. Eine Übernachtung ist nicht ganz billig. Eine Suite kostet pro Nacht 295 Franken. Die Buchungsplattform wird am 23. Juni aufgeschaltet. 7000 Leute haben sich in den letzten Jahren auf eine Warteliste setzen lassen.

Der Brand im Bad

Was die sommerliche Aktionskunst aus St. Gallen für das Walliser Örtchen bedeutet, kann man sich schon heute lebhaft vorstellen. Saillon, einst Wohnort von Schmuggler und Falschmünzer Joseph-Samuel Farinet, braucht dringend Energie, Inspiration, Beachtung und auch ein paar Touristen. Die Gemeinde befindet sich seit längerem im Tiefschlaf. Ein Brand hat Saillons Thermalbad, die eigentliche Touristenattraktion, zerstört. Das Bad wird aktuell totalsaniert.

Ein nicht so rasch reparables Problem hat Saillon wiederum mit seinem augenfälligen Mangel an raumplanerischem Feingefühl. Der Kontrast zwischen dem pittoresken Dorfkern und dem seelenlosen «No Man’s Land» amerikanischen Zuschnitts auf dem Talgrund ist augenfällig.

Doch gerade ästhetische Widersprüche sind es, die die St. Galler Aktionskünstler gewöhnlich am meisten faszinieren. Wer die bisherigen Arbeiten der Zwillinge kennt, darf sich auf einige Clashs einstellen. Sie werden ihre Gäste kaum nur in die Naturidylle schicken, sondern sie wohl auch an einer viel befahrenen Landstrasse schlafen lassen. Ganz so, wie das Leben in Saillon eben spielt.