Nach dem RahmenabkommenIgnazio Cassis auf Tuchfühlung in Brüssel
Bundesrat Ignazio Cassis ist erstmals seit seinem Amtsantritt nach Brüssel gereist. In der EU-Schaltzentrale wundert man sich über das Timing so kurz nach dem Scheitern des Rahmenabkommens.
Viel gab es in dem Moment wohl nicht zu sagen. Bundesrat Ignazio Cassis suchte kurz den Blickkontakt mit EU-Kommissar Johannes Hahn, bevor beide sich für das Foto vor die Flaggen der EU und der Schweiz stellten. Gastgeber und Besucher entschwanden dann wortlos in den oberen Etagen. Immerhin, am Ende eines langen Tages in Brüssel zog Ignazio Cassis eine vorsichtig positive Bilanz: Er habe den Willen der EU gespürt, mit der Schweiz einen Weg zu finden.
Johannes Hahn und Ignazio Cassis sind alte Vertraute. Der Österreicher war während der heissen Phase der Verhandlungen über das Rahmenabkommen Ansprechpartner für den Schweizer Aussenminister. Bis heute ist Hahn überzeugt, sich im November 2018 mit Cassis per Handschlag auf einen Vertragsentwurf geeinigt zu haben. Seit diesem Missverständnis ist das Verhältnis zwischen den beiden Politikern getrübt.
Möglicherweise wollte Cassis hier persönliche Beziehungsarbeit leisten. Denn EU-Haushaltskommissar Hahn ist eigentlich nicht mehr für das Schweizer Dossier zuständig. In der Brüsseler Schaltzentrale war die Verwunderung über den Schweizer Terminwunsch jedenfalls gross. Die Schweiz und die EU stünden in einer Phase der Abkühlung der Beziehung, sagte Cassis selber am Abend. Der Bundesrat sprach auch von einer Denkpause. Beide Seiten seien jetzt dabei, sich zu überlegen, wie man den Weg weitergehen wolle.
Politischer Dialog
Der Bundesrat wünscht einen «politischen Dialog» mit Brüssel. Ein Wunsch, der in EU-Kreisen nach sieben Jahren vergeblicher Verhandlungen auf ein gewisses Unverständnis stösst. Die EU-Kommission will ihre Neubeurteilung der bilateralen Beziehung mit der Schweiz erst im September präsentieren. Niemand wisse genau, wie dieser Dialog ausschauen und wer Ansprechpartner für die Schweiz sein werde, sagte Ignazio Cassis. Johannes Hahn selber äusserte sich nach dem Treffen per Kurznachrichtendienst Twitter zurückhaltend: «Ich habe mich gefreut, Bundesrat Ignazio Cassis zu einem guten und freundschaftlichen Gespräch zu treffen.» Trotz unterschiedlicher Positionen sei es wichtig, die Vertrauensbasis zu bewahren und den Dialog weiterzuführen. Die Schweiz bleibe ein wichtiger Partner.
Ein Anlass für den ersten Besuch als Aussenminister in Brüssel war auch der Wechsel an der Spitze der Schweizer Mission. Er sei gekommen, um die Mitarbeitenden «zu neuem Elan auf neuen Wegen» zu motivieren, so Cassis. Zeit blieb zudem für ein Treffen mit dem österreichischen EU-Abgeordneten Lukas Mandl, einem Vertrauten von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der demnächst im EU-Parlament einen Bericht über die bilateralen Beziehungen vorlegen soll. Links liegen liess Cassis dafür den EU-Abgeordneten Andreas Schwab, der im EU-Parlament eigentlich für die Beziehungen zur Schweiz zuständig wäre. Zum Abschluss hatte der Bundesrat einen halbstündigen Termin beim EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell. Er habe mit dem Aussenbeauftragten über China, den Iran und den kürzlich erfolgten Russland-USA-Gipfel in Genf gesprochen, so Cassis. Man habe vereinbart, sich künftig einmal im Jahr über das Weltgeschehen auszutauschen.
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