AboInterview über Erziehung«Ich wünschte, die Erwartungen an unser Elternsein könnten weicher werden»
Gerade liebevolle Mütter und Väter hätten oft Schuldgefühle und würden die eigenen Grenzen vergessen, sagt der Psychiater Oliver Dierssen.
Herr Dierssen, ist es heute schwieriger, gute Eltern zu sein als vor einer oder zwei Generationen?
Elternschaft ist auf jeden Fall viel politischer geworden. Die Spaltung der Gesellschaft strahlt auch in Erziehungsstile hinein. Auf der einen Seite haben wir über 40 Prozent der Familien, die nach wie vor einen Klaps auf den Po akzeptieren. Auch schwere Prügel gibt es noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Auf der anderen Seite gibt es Eltern, die sich extrem gut informieren, die sich auf Blogs und in Social-Media-Gruppen über bedürfnisorientierte Elternschaft austauschen, bis hin zu den Eltern, die ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihrem Kind einen Wunsch abschlagen. Die Eltern, die wir in unserer Praxis kennen lernen, befinden sich in diesem ganzen Spektrum.