Kolumne Max Küng UetendorfIch war noch niemals in…
Uetendorf BE
Mehr Schweiz geht fast nicht als in diesem Wundertütendorf, wo ein prominenter Bürger tupfgleich heisst wie ein Nationalgericht.
Nordwärts aus dem Dorf hinaus, dann linkerhand zwischen Zigüneregge und Chröscherezälg, dort liegt das Silbermoos. Was klingt wie der Name einer Schlagerband, ist ein Fleck Land, genauer eine Wiese, eingezäunt mit Elektrodraht und kuhfladengarniert – und dort ist er, der Punkt, der in unserem Land wie kein anderer maximal von allem entfernt ist, was Ausland ist.
«Grenzfernster Punkt» nennt man diesen Zentrumsort, nicht zu verwechseln mit dem geographischen Mittelpunkt des Landes auf der Älggi-Alp im Kanton Obwalden, auf dem man das ganze Land ausbalancieren könnte, könnte man das ganze Land ausbalancieren wie eine krosse Pizza auf einem ausgestreckten Zeigefinger.
Beim grenzfernsten Punkt hingegen verhält es sich eher so, als wüsche man die Schweiz zu heiss und sie ginge ein, schrumpfte, und man täte dies wieder und immer wieder; bis von der Schweiz nichts mehr übrigbliebe als dieser Fleck beim Silbermoos.
Die logische Konsequenz der Lage maximal fern der Fremde müsste ja Swissness in Hochkonzentration bedeuten. Doch der von Swisstopo kalkulierte Punkt ist unspektakulär und ohne Wahrzeichen, da auf einer Wiese gelegen, Privatgrund, betreten verboten, dem Vieh vorbehalten.
An die Schweiz erinnert eine Infotafel in der Form des Landes, etwas vom eigentlichen Punkt entfernt und gleich bei der Anlage des örtlichen Klubs, der dem Platzgen frönt, einem vor allem im Kanton Bern betriebenen Zielwurfsport mit Wurzeln im Mittelalter, bei dem es darum geht, zackig eine gezackte Metallscheibe über die Distanz von siebzehn Metern in einen mit Lehm gefüllten Zielring zu werfen, aus dem ein leicht nach vorne geneigter Eisenstab namens «Schwirren» ragt.
Silbermoos gehört zur Gemeinde Uetendorf – dort finden sich durchaus Merkmale von Swissness, etwa beim Namen des Gemeindepräsidenten, denn der heisst tupfgleich wie ein Nationalgericht. Es ist der Rösti Albert, Nationalrat und Präsident des Brennstoffhändlerverbandes Swissoil, einst Präsident der nationalen SVP, welche in Uetendorf bei den letzten Nationalratswahlen noch immer 47,3 % des Stimmvolks hinter sich scharen konnte (Landesschnitt 25,59 %).
Zwar unterliegt auch Uetendorf Veränderungen, die Sauerkrautfabrik beim Bahnhof etwa wurde vor zehn Jahren abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen (eine Umnutzung des Gebäudes war des starken Sauerkrautgeruchs wegen unmöglich).
Doch die rurale Prägung ist stark, so gibt es noch Bauernhöfe mitten im Dorf und insgesamt rund vierzig landwirtschaftliche Familienbetriebe, das Café-Restaurant Reduit hat General Guisan als Pin-up und für Fr. 11.50 den aus Schweizer Fleisch zubereiteten Reduitburger auf der Karte, nur drei Häuser weiter findet sich die Kuhglockengiesserei (Firma Gusset, in 9. Generation).
In Uetendorf (5902 Einwohner*innen, davon 424 Ausländer*innen aus 42 Nationen sowie 8 mit unbekannter Nationalität) wurde die Schlagerband Calimeros gegründet, an einem Unterhaltungsabend des Sportvereins im Jahr 1976.
Bereits ihr erstes Album «Sommerwind» erreichte Platinstatus. Der Erfolg der Calimeros strahlt bis heute und über die Grenzen hinaus – mit dem Album «Endlos Liebe» schaffte es die Combo vor zwei Jahren als erste Schweizer Band überhaupt auf Platz 1 der Albumcharts in Deutschland drüben. Und wegen welchem Uetendorfer stand im Jahr 2012 das ganze Dorf Kopf? Wegen Luca Hänni natürlich, der als Siebzehnjähriger den Gesangswettstreit «Deutschland sucht den Superstar» gewann.
Aber auch im Sport mischt Uetendorf mit: Die Futsaler des FC Uetendorf belegen zurzeit in der höchsten Liga (Premier League) den dritten Tabellenplatz. Reduit, Kuhglockengiesserei und Schlager-Exportschlager: «etwas mehr» heisst der aktuelle Slogan der Gemeinde, er könnte aber auch heissen: «Uetendorf … das Wundertütendorf.»
Bäckerei? Ja! Pfister-Beck, Dorfstrasse 12. Sehr gut. Speziell: Ein Sandwich mit Schinken und Salami. Zudem: Confiserie Steinmann an der Industriestrasse 12
Metzgerei? Ja! Dorfmetzgerei Wölfli, Dorfstrasse 44. Viele Wurstspezialitäten aus eigener Produktion
Anzahl privater Outdoor-Swimmingpools (handgezählt bei Google Earth): 27
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
Fehler gefunden?Jetzt melden.