Hundehalter vor ObergerichtVerurteilt, auch wenn sein Hund vielleicht nicht zugebissen hat
Ein Rentner wird bestraft, weil sein Hund sich an einer Hetzjagd auf ein Reh beteiligte. Er sieht seinen Fehler nicht ein.

- Der Beschuldigte fühlt sich trotz Schuldspruch keiner Vergehen schuldig.
- Sein Hund soll mit anderen Hunden ein Reh gejagt haben.
- Das Obergericht bestätigte die Geldstrafe und reduzierte die Busse leicht.
- Entscheidend war, dass der Hund durch Zurufe nicht kontrolliert werden konnte.
Er fühle sich absolut keines Vergehens schuldig, monierte der Beschuldigte am Dienstagmorgen vor Obergericht. Er hat Berufung gegen das vor einem Jahr gefällte Urteil des Bezirksgerichts Meilen eingelegt. Das Bezirksgericht beschuldigte ihn und eine weitere Mitangeklagte der fahrlässigen Tierquälerei.
Der Hund des 74-jährigen Mannes soll zusammen mit mindestens einem anderen Hund im Oktober 2022 ein Reh gejagt und das verängstigte Tier gerissen haben.
Spaziergang mit Folgen
Ruhig und in klarer Wortwahl berichtet der Beschuldigte, der in Trekkingschuhen und mit Rucksack im Saal des Obergerichts erschien, wie er den Vorfall erlebt hatte.
Zusammen mit seiner Frau und seinem Hund spazierte er auf dem Buesrütiweg unweit des Schützenhauses Zumikon. Dort begegneten sie fünf Frauen, die ebenfalls mit Hunden spazieren waren. Auf der Wiese liessen sie ihre Hunde spielen, als plötzlich jemand «Ein Reh!» rief. Einige Hunde rannten sofort dem Reh hinterher. Auch jener des Beschuldigten. Er habe seinen Hund gerufen, konnte ihn aber nicht mehr stoppen.
Mann befreite das Reh
Ein anderer Hund habe sich in die Lende des Rehs verbissen. «Das Reh schrie furchtbar», erinnert sich der Beschuldigte. Sein Hund sei daraufhin erschrocken stehen geblieben. «Ich konnte ihn anleinen und meiner Frau übergeben», schildert der 74-Jährige weiter.
Er habe mit viel Mühe das Gebiss des anderen Hundes öffnen und das Reh befreien können. Einen Jogger, der sich äusserst aufgebracht ebenfalls ins Geschehen eingemischt habe, habe er in dieser Situation etwas harsch gebeten, sich rauszuhalten.
Das befreite Reh sei dann zwar weggerannt, aber wieder zurückgekommen. Der Hund habe an der gleichen Stelle erneut zugebissen. «Wieder habe ich es geschafft, das Reh aus den Fängen des Hundes zu befreien», sagt der Beschuldigte. Als er dessen Gebiss kontrollierte, konnte er kein Blut feststellen. Auch das Reh habe keine Wunde gehabt. Das Reh sei daraufhin verschwunden.
Aufgebrachter Jogger
Es gebe keinerlei Beweise, dass der Hund seines Mandanten bei dem Angriff beteiligt war, versuchte auch der Anwalt des Beschuldigten dem Gericht deutlich zu machen. So hätten an dem toten Reh, das eine Woche nach dem Vorfall gefunden wurde, keine DNA-Spuren der Hunde nachgewiesen werden können.
Auch die Aussagen des Joggers, der vor dem Bezirksgericht als Zeuge aufgetreten war, stellte der Anwalt infrage. Dieser habe die Situation beobachtet, sei aber sehr aufgebracht gewesen. Der Jogger will gesehen haben, dass ein schwarzer Hund das Reh in den Hals gebissen hätte. Der Beschuldigte und die Mitbeschuldigte sprachen aber immer nur von einem Hund, der auf die Beine des Rehs losgegangen sei. «Es ging alles sehr schnell, sodass keiner der Anwesenden den Überblick behalten konnte», sagt der Anwalt.
«Dass ich nun hier auf der Anklagebank sitze, obwohl mein Hund nichts getan hat und ich der Einzige war, der etwas unternommen hat, kann ich nicht verstehen und hat mich sehr beschäftigt», sagt der Mann entrüstet. Er wisse nicht, ob er – sollte er erneut in eine solche Situation kommen – wieder helfen würde.
Hund war nicht unter Kontrolle
Das Gericht sprach den Mann schliesslich schuldig und folgte damit dem Urteil der Vorinstanz. Die Geldstrafe beliess das Obergericht bei 20 Tagessätzen zu 70 Franken. Lässt der Mann sich in den nächsten zwei Jahren nichts zuschulden kommen, muss er die Strafe nicht bezahlen. Eine Busse von 250 Franken bleibt ihm jedoch nicht erspart.
«Es ist nicht entscheidend, welcher Hund letztlich zugebissen hat und ob eine Woche nach dem Ereignis der richtige Rehkadaver gefunden wurde oder nicht», begründete die Oberrichterin das Urteil. Entscheidend sei, dass der Mann seinen Hund trotz Zurufen nicht unter Kontrolle hatte und nicht stoppen konnte. Egal ob aus Spiel- oder Jagdtrieb, er sei den anderen Hunden und dem Reh, das gestresst war und Angst hatte, nachgerannt. Die Laute, die das Reh dabei von sich gegeben habe, hätten alle Beteiligten sehr eindrücklich als kaum erträglich geschildert.
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