Kinderschutz in Zürich 2021 wurden erneut mehr Kindsmisshandlungen gemeldet
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Kinderspital einen starken Anstieg psychischer Misshandlungen von Kindern. Die körperlichen Übergriffe haben hingegen abgenommen.
Innerhalb eines Jahres sind die Verdachtsfälle von Kindesmisshandlungen von 592 auf 625 gestiegen. So die Bilanz der Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Zürcher Kinderspitals. Laut einer Mitteilung vom Montag stellte das Team in 442 Fällen mit Sicherheit eine Misshandlung fest – die höchste Fallzahl seit 2010. In 140 Fällen konnte der Verdacht nicht erhärtet, aber auch nicht ausgeräumt werden. In 43 Fällen habe sich schliesslich herausgestellt, dass keine Misshandlung vorlag.
Die Anzahl gemeldeter Fälle von sexuellem Missbrauch blieb im Vorjahresvergleich praktisch unverändert, die Meldungen von körperlichen Misshandlungen haben sogar erstmals wieder leicht abgenommen. Dafür haben die Fachleute eine deutliche Zunahme psychischer Misshandlungen und Vernachlässigungen festgestellt.
Unbewusster Missbrauch
Einen Grund für diese Zunahme sieht Anja Böni, Oberärztin Kinderschutzgruppe und Opferberaterin, in der Pandemie. «Der Ausnahmezustand belastet viele Familien psychisch und finanziell», sagt sie. Hinzu komme, dass vielen gar nicht klar sei, ab wann man von psychischer Misshandlung spreche. Das kann gemäss Böni im direkten Umgang mit dem Kind geschehen – wenn man ihm beispielsweise sage, dass es zu dumm oder zu dick sei. Andererseits könne auch Streit zwischen den Eltern oder häusliche Gewalt eine enorme psychische Belastung für das Kind darstellen.
Die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals befasst sich mit allen Säuglingen, Kindern und Jugendlichen, die Opfer einer Misshandlung wurden oder gefährdet sind, misshandelt zu werden. Im vergangenen Jahr stellte das Team gemessen an der Gesamtzahl in der Gruppe der 5- bis 12-Jährigen am meisten psychische Misshandlungen fest. Dann in der Gruppe der 1- bis 4-Jährigen und an dritter Stelle in jener der 13- bis 16-Jährigen. Im letzten Jahr wurden auch vermehrt Jugendliche wegen Suizidversuchen und Angststörungen betreut. Auch sie haben gemäss Erhebungen sehr oft einen Missbrauch erlebt.
Erfolgreiche Sensibilisierung
«Die Einweisung in eine Kinder- oder Jugendpsychiatrie ist der letzte Schritt, den man tun muss, wenn der Schaden bereits zu gross ist», sagt Böni. «Unser Ziel ist es, dies mit Präventivmassnahmen zu verhindern. Zum Beispiel indem wir Beratungsstellen einschalten, die zusammen mit den Eltern Lösungen findet.»
Wichtig sei auch die Sensibilisierung für das Thema. «Wir wollen klarmachen, welcher Umgang mit Kindern nicht angebracht ist, und Wege zeigen, wie man es anders machen kann», sagt die Oberärztin. Offenbar haben die Fachleute Erfolg. «Heute werden bei uns mehr Missbrauchsfälle gemeldet. Aber unsere Zahlen sind immer noch nur die Spitze des Eisbergs.»
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